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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ist gut.«
    »Wie ...« Natalie verstummte und leckte sich die Lippen. Sie fühlten sich abgestorben und wie Gummi an. »Wie lange?«
    »Etwa dreißig Minuten«, sagte Saul. »Vielleicht sind wir mit der Mischung zu vorsichtig gewesen.«
    Natalie schüttelte den Kopf. Sie erinnerte sich an das Grauen, sich selbst zu beobachten, zu spüren, wie sie sich bereit machte, Saul anzuspringen. Sie wußte, sie hätte ihn mit bloßen Händen getötet. »Mußte schnell gehen«, flüsterte sie. »Harod?« Sie brachte es kaum über sich, seinen Namen auszusprechen.
    Saul nickte. »Das erste Verhör verlief ausgezeichnet. Die EEG-Werte sind außergewöhnlich. Er müßte jeden Moment wieder zu sich kommen. Darum die .« Er deutete auf die Gurte.
    »Ich weiß«, sagte Natalie. Sie hatte mitgeholfen, das Bett mit den Segeltuchfesseln aufzustellen. Ihr Puls raste immer noch nach dem unglaublichen Adrenalinstoß, während Harod Besitz von ihr ergriffen hatte, und von der Angst, bevor sie das Zimmer betreten hatte. Das Zimmer zu betreten war die schwerste Tat gewesen, die sie je vollbracht hatte.
    »Ich glaube, es sieht sehr gut aus«, sagte Saul. »Laut EEG erfolgte kein Versuch, seine Kräfte bei Ihnen oder mir einzusetzen, solange er unter Natriumpentothal stand. Die Wirkung flaut seit etwa fünfzehn Minuten ab - seine Werte sind jetzt fast wieder bei der Norm, die wir heute morgen istgestellt hatten -, und er hat nicht versucht, wieder Kontakt mit Ihnen herzustellen. Ich bin ziemlich sicher, daß Blickkontakt für den ersten Kontakt, oder wenn der Kontakt unterbrochen wurde, erforderlich ist. Bei Opfern, die er konditioniert hat, ist das sicher anders, aber ich glaube nicht, daß er den Kontakt zu Ihnen wiederherstellen kann, ohne Sie zu sehen.«
    Natalie gab sich größte Mühe, nicht zu weinen. Die Gurte waren nicht unbequem, vermittelten ihr aber ein überwältigendes Gefühl von Klaustrophobie. Kabel verliefen von den Elektroden an ihrer Kopfhaut zu dem kleinen Telemetriepack, das mit Klebeband an ihrer Hüfte befestigt war. Saul kannte diese Ausrüstung von Kollegen, die Traumforschung betrieben, daher hatte er Cohen ganz genau sagen können, wo er es kaufen konnte. »Aber wir wissen es einfach nicht«, sagte sie.
    »Wir wissen viel mehr als noch vor vierundzwanzig Stunden«, sagte Saul. Er hielt zwei lange Streifen mit EEG- Ausdrucken hoch. Der Computerschreiber hatte ein irres Gekritzel von Spitzen und Tälern zustande gebracht. »Sehen Sie sich das an. Zuerst diese scheinbar willkürlichen Fehlzündungen in seinem Ammonshorn. Harods Alphawellen steigen steil an, fallen fast auf null und gehen dann scheinbar in ein REM- Stadium über. Drei Punkt zwei Sekunden später ... sehen Sie ...« Saul zeigte ihr einen zweiten Streifen, dessen Spitzen und Täler hundertprozentig dem ersten entsprachen. »Völlige Übereinstimmung. Sie haben sämtliche Funktionen höherer Ordnung verloren, haben keine Kontrolle über die willkürlichen Reflexe mehr, selbst Ihr autonomes Nervensystem ist von seinem unterjocht worden. Keine vier Sekunden, bis Sie mit ihm in diesem abgewandelten REM-Stadium oder was auch immer sind.
    Die vielleicht interessanteste Anomalie: hier erzeugt Harod einen Theta-Rhythmus. Unverwechselbar. Hier reagierte Ihr Ammonshorn mit einem identischen Theta-Rhythmus, während das neokortikale EEG flacher wird. Natalie, dieses Phänomen des Theta-Rhythmus ist bestens dokumentiert bei Kaninchen, Ratten und so weiter während rassespezifischer Aktivitäten - etwa Aggression und Dominanzverhalten -, aber es wurde noch nie bei Primaten festgestellt!«
    »Wollen Sie damit sagen, daß ich das Gehirn einer Ratte hatte?« Es war ein kläglicher Scherz, der den Drang zu weinen nicht vertreiben konnte.
    »Irgendwie erzeugt Harod - und wahrscheinlich die anderen diese ungewöhnliche Aktivität des Theta-Rhythmus im eigenen Ammonshorn und dem des Opfers«, sagte Saul halb zu sich selbst. Er hatte Natalies Versuch zu scherzen gar nicht bemerkt. »Die Auswirkung auf Ihr Gehirn war, daß die neokortikale Aktivität gedämpft und gleichzeitig ein künstliches REM-Stadium erzeugt wurde. Sie empfingen Sinneseindrücke, konnten aber nicht entsprechend handeln. Harod konnte es. Unglaublich. Das hier« - er deutete auf eine Stelle, wo die Krakel auf dem Schaubild plötzlich flacher wurden - »ist genau die Stelle, wo das Nervengift im Betäubungspfeil zu wirken anfängt. Beachten Sie die fehlende Entsprechung in seinem Diagramm. Seine Wünsche

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