Kraft des Bösen
wie sie holen konnte, in die Hoden und freute sich, daß sie solide Wanderschuhe trug und keine Turnschuhe. Harod ließ die Flasche fallen, die er immer noch bei sich hatte, griff sich mit beiden Händen zwischen die Beine und klappte zusammen.
Natalie trat auf die Verstrebung der Tragfläche und machte die Tür auf. Sie wußte nicht, wieviel Konzentration ein Gedankenvampir aufbringen mußte, um seinen Trick durchzuziehen, aber sie vermutete, daß es mehr war, als Tony Harod im Augenblick aufbringen konnte. »Los!« rief sie, aber das war überflüssig; Meeks hatte das Flugzeug in Bewegung gesetzt, noch ehe sie die Tür zuschlagen konnte.
Sie tastete nach dem Sicherheitsgurt, konnte ihn nicht finden und begnügte sich damit, sich mit beiden Händen an der Konsole festzuklammern, wobei ihr der Colt in die Quere kam. Die Landung war aufregend gewesen, aber der Start bergab war wie Space Mountain, die Matterhornbahn und der Lieblingsnervenkitzel ihres Vaters, die Wildcat-Achterbahn, in einem. Natalie sah sofort, was Meeks gemacht hatte. Zwei Fackeln flackerten rot neun Meter voneinander entfernt am Ende des langen, dunklen Korridors.
»Muß wissen, wo der Boden aufhört und der Abgrund anfängt!« rief Meeks über das Anschwellen des Propellerlärms und das Poltern des Fahrgestells hinweg. »Hat ziemlich gut gewirkt, wenn Pop und ich im Dunkeln Hufeisen werfen gespielt haben. Wir haben einfach Zigaretten auf die Pflöcke gesteckt.«
Dann war keine Zeit mehr zum Reden. Das Holpern wurde schlimmer, die Fackeln rasten auf sie zu und waren plötzlich an ihnen vorbei, und Natalie erlebte die schlimmste Form einer Achterbahnphobie - was war, wenn man über einen der Berge hinausschoß, die Gleise hörten einfach auf und die Bahn raste trotzdem weiter?
Natalie hatte geschätzt - zu einem ruhigeren Zeitpunkt, als ihr die Information halbwegs interessant zu sein schien -, daß die Felsklippen unterhalb des Herrenhauses etwa sechzig Meter hoch waren. Die Cessna war bereits die halbe Strecke gestürzt und zeigte keinerlei Anzeichen einer wundersamen Erholung, als Meeks etwas Interessantes machte: Er senkte die Schnauze des Flugzeugs und öffnete das Schubventil, damit sie noch schneller auf die weiße Brandung zu rasten, die die gesamte Windschutzscheibe ausfüllte. Natalie konnte sich später nicht daran erinnern, daß sie geschrien oder unwillkürlich den Colt abgedrückt hatte, aber Jackson versicherte ihr, daß der Schrei eindrucksvoll gewesen wäre, und das Einschußloch im Dach der Cessna sprach für sich.
Meeks war deswegen fast den gesamten Rückflug über sauer. Kaum hatten sie den Sturzflug hinter sich, der ihnen genügend Beschleunigung verpaßt hatte, und stiegen Richtung Westen auf Flughöhe, konzentrierte sich Natalie auf andere Dinge. »Wie geht es Saul?« fragte sie und drehte sich auf ihrem Sitz herum.
»Bewußtlos«, sagte Jackson. Er kniete immer noch in dem engen Raum. Er hatte sich selbst während des Sturzflugs beim Start an Saul zu schaffen gemacht.
»Wird er es überleben?« fragte Natalie.
Jackson sah sie an, und seine Augen waren im Leuchten des Cockpits gerade zu erkennen. »Wenn ich ihn stabilisieren kann«, sagte er. »Wahrscheinlich. Ich kann nichts über andere Möglichkeiten sagen - innere Verletzungen, Gehirnerschütterung. Die Kugel in seiner Schulter ist nicht so schlimm, wie ich gedacht habe. Sieht so aus, als hätte das Geschoß eine weite Strecke zurückgelegt oder wäre irgendwo abgeprallt, bevor es ihn getroffen hat. Ich kann es hier unten spüren, direkt da am Knochen. Wäre es gerade reingekommen, hätte es ihm beim Austreten den rechten Lungenflügel zerfetzt. Er hat viel Blut verloren, aber ich pumpe ihn mit Plasma voll. Davon habe ich noch jede Menge. Wissen Sie was, Nat?«
»Was?«
»Schwarze haben das Plasma erfunden. Ein Mann namens Charles Drew. Ich hab’ irgendwo gelesen, daß er in den fünfziger Jahren nach einem Autounfall verblutet ist, weil ein Scheißkrankenhaus in North Carolina kein >Negerblut< hatte und sie sich weigerten, ihm >weißes Blut< zu geben.«
»Das scheint mir im Augenblick kaum wichtig zu sein«, fauchte Natalie.
Jackson zuckte die Achseln. »Saul würde es gefallen. Der Mann hat mehr Sinn für Ironie als Sie, Nat. Liegt wahrscheinlich daran, daß er ein Seelenklempner ist.«
Meeks nahm die Zigarre aus dem Mund. »Ich unterbreche dieses romantische Geplänkel nur ungern«, sagte er, »aber muß Ihr Freund ins nächste Krankenhaus?«
»Sie
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