Kramp, Ralf (Hrsg)
Vielleicht sogar in ganz Deutschland. Er hatte es geschafft. Seniorpartner in einer
der
deutschen Top-Kanzleien. Jetzt spielte er in der ersten Liga. Verdammt lange hatte er hierfür kämpfen müssen. Er würde sich das nicht einfach so kaputt machen lassen, nicht von dieser Schlampe!
Unweigerlich presste er seine Faust zusammen. Seine Fingernägel gruben sich schmerzhaft in seinen Handballen. Das Bild der alten Burg tauchte vor seinem geistigen Auge auf. Das Mädchen. Das weit ausgeschnittene Kleid. Studentin. Jung. Viel zu jung eigentlich für ihn. Aber das hatte ihm geschmeichelt. Die Mädels standen nach wie vor auf ihn. Schon in dem Moment als sie mit Professor Schill den Rittersaal der Burg Arras betreten hatte, hatte sie ihn fixiert. Er hatte es sofort gemerkt. Aber er war klug genug gewesen, es sich nicht anmerken zu lassen. Hatte den ganzen Abend über kultiviert mit seinen ehemaligen Kommilitonen und Verbindungsmitgliedern der Universität Bonn Small Talk gehalten. Alles mittlerweile gestandene und erfolgreiche Rechtsanwälte, Richter und Staatsanwälte. Fotos von Villen, Jachten, Ferienhäusern machten die Runde. Dazwischen verstohlene Blicke. Schill war schon immer dafür bekannt gewesen, sich die heißesten studentischen Hilfskräfte auszusuchen. Auch jetzt noch in seinem fast biblischen Alter. Der geile Sack. Ein paar Mal an diesem Abend war sie ganz nah an ihm vorbeigelaufen. Er wusste, dass dies kein zufall war. Ihre blonden, langen Haare hatten einmal sogar seine Hand berührt. Ihr Parfum. Viel zu süß. Er konnte es, wenn er sich anstrengte, noch immer riechen. Jetzt wurde ihm beinahe übel, bloß von der Erinnerung. Niemand von den Gästen hatte bemerkt, was da zwischen ihnen ablief. Auch später hatte keiner der Anwesenden dem Kommissar berichten können, dass ihm irgendetwas an dem betreffenden Abend aufgefallen war. Das Mädchen hätte sich den ganzen Abend über hauptsächlich mit Schill unterhalten. So hatten es alle einstimmig bezeugt. Dabei hatte sie eigentlich den ganzen Abend einfach nur dümmlich grinsend neben ihm gestanden, während der Professor sich mit den Gästen unterhielt. zum Glück hatte er sich an diesem Abend nur kurz mit seinem ehemaligen Lehrer unterhalten. So war seine Befragung sehr schnell beendet gewesen: Ja, er hatte die Studentin gesehen, die mit Schill gekommen war. Sicher, sie war sehr attraktiv gewesen, aber nein, er hatte sich nicht mit ihr unterhalten. Später, im Laufe des Abends vielleicht bei anderer Gelegenheit? Nein, auch da nicht. Er war in dieser Nacht früh zu Bett gegangen. Dieser dämliche Kommissar war so leicht zu überzeugen gewesen. Aber was war von einem Kriminalbeamten aus der Eifel schon zu erwarten? Unweigerlich musste er bei dem Gedanken an diesen Volltrottel lächeln.
Nachdem er in seinem zimmer auf dem Klo gewesen war und gerade die steile Treppe zum Hauptsaal hatte hinuntersteigen wollen, hatte sie plötzlich vor ihm gestanden. Er hatte es wirklich nicht geplant. Vielleicht war es nur ein Instinkt, und sein Handeln wurde von der Angst gesteuert, hier und jetzt erwischt zu werden, als er ihr vorschlug, sich in zwei Stunden an dem kleinen Waldweg direkt hinter dem schmiedeeisernen Tor zu treffen. Nicht sofort. Das war zu riskant. Aber in einer Stunde würde sich die Gesellschaft erfahrungsgemäß sowieso aufgelöst haben. Genug zeit bis zu ihrem Treffen und für ihn, sich ein Alibi zu verschaffen. Als hätte er die Tat da schon geplant. zum ersten Mal kam ihm in den Sinn, dass ein Seitensprung und ein Mord der gleichen akribischen Planung bedurften. Etwas zögerlich hatte sie zugestimmt.
Also waren sie brav zu der Gesellschaft zurückgekehrt. Er hatte sich sofort einigen Kollegen zugewandt und sich nach etwa einer Stunde als einer der Ersten verabschiedet, mit der Ausrede eines wichtigen Mandates und deshalb frühen Abreise am nächsten Morgen. Dann hatte er die nächste Stunde ungeduldig und erregt in seinem Hotelzimmer gewartet. Als er zur verabredeten zeit wieder die Treppe des Hotels hinunterstieg und einen Blick auf den links liegenden Burgsaal warf, waren die Lichter längst gelöscht und die Gesellschaft bereits aufgelöst. Er hatte recht gehabt. Die zeit ausgelassener Feste und Partys war wohl vorbei. Die meisten wollten am nächsten Morgen schnell wieder nach Hause zu ihren Familien zurückkehren. Diese Spießer.
Der kleine Waldweg hatte ruhig und verlassen im Mondlicht gelegen, als er dort eintraf. Fast schon romantisch, wenn
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