Kramp, Ralf (Hrsg)
die Hotelterrasse verzog. Ein ganz normales, bayerisches Helles wäre ihm zwar lieber gewesen, aber immerhin besser als das Pils, dem die Einheimischen hier fleißig zusprachen. Das war überhaupt nichts für seinen Geschmack: viel zu bitter, und dazu auch nur in so kleinen Gläsern erhältlich, dass man laufend nachbestellen musste. Von seinem Platz aus hatte er die Dorfstraße im Blick. Alles wirkte so adrett und idyllisch, und doch hatte hinter diesen Fassaden das Verbrechen, die ganze Niedertracht des Drogengeschäfts längst Einzug gehalten. Das gesamte Dorf schien in die dunklen Machenschaften verstrickt zu sein: Eben auf dem Weg vom »Vulkangarten« zurück zum Hotel hatte er sich von der Wandergruppe abgesetzt und an einer Straßenecke das Gespräch zweier alter Frauen belauschen können: Es war eindeutig um Chrystal Meth gegangen, soviel war sicher. Er hatte freilich nicht alles verstanden, dafür war der heimische Dialekt einfach zu fremd für seine Ohren. Aber das Wesentliche hatte er doch mitbekommen: Noch heute wurde eine frische Lieferung Meth erwartet. Wofür die Begriffe »Zwiebelringe« und »Brötchen« in diesem Zusammenhang standen, hatte sich ihm noch nicht erschlossen. Das waren sicherlich Codes, die in der hiesigen Szene gebräuchlich waren. Gehört hatte er im Gegensatz dazu schon einmal den Ausdruck »Eagle«, der seines Wissens nach, ähnlich wie der »Turkey«, einen Zustand des Drogenentzugs beschrieb. Es war also ganz klar, was die beiden meinten, als sie von einem »Meth-Eagle« sprachen: Das ganze Dorf war auf Entzug und erwartete sehnlichst die neue Lieferung aus Holland.
Das Wichtigste aber war: Genau wie er vermutet hatte, war Wim van Scheveningen in den Fall verwickelt, denn an ihn sollte diese Lieferung gehen. Von einem Fest war die Rede gewesen, zu welchem der Holländer das ganze Dorf eingeladen hatte, und die beiden Drogen-Omas hatten überlegt, was sie anziehen sollten.
»Ah, Herr Pröllhuber, gut dass ich Sie hier erwische!« Die sonore Stimme des Küchenchefs riss ihn aus seinen Gedanken. »Wir haben ja heute offiziell Ruhetag, und ich wollte fragen, ob ich Ihnen gleich noch schnell ein Schnitzel in die Pfanne hauen soll. Mach ich gerne. Sie können aber auch zum großen Gartenfest bei Wim van Scheveningen mitkommen, da machen wir heute das catering. Das ganze Dorf ist da, das fällt überhaupt nicht auf ...«
Diese Chance ließ sich der Pröllhuber natürlich nicht entgehen.
Auf dem Weg zur Villa des Drogenbarons traf der Kommissar auf Oma- und Opaschowski. Von ihnen erfuhr der Bayer, dass bei dem Gartenfest die bevorstehende Hochzeit von Wim van Scheveningens Sohn Klaas mit Vanessa Blameuser gefeiert werden sollte. »
Hillisch
nennen die das hier in der Eifel. So eine Art Polterabend ohne Gepolter«, erklärte der Ruhrpöttler, der sich offenbar bestens mit den Gepflogenheiten in der Gegend auskannte. »Wird normalerweise im Elternhaus der Braut gefeiert, aber die beiden sind ja leider schon verstorben.« Omaschowski nickte zustimmend: »Ja, dabei waren Vanessas Eltern doch noch so jung! Das arme Kind. Sie kennen die Vanessa doch? Die bedient im Vulkanhotel.«
Ja, die kannte er: Das schamlose Ding hatte ihm am Vorabend doch noch Drogen in der Gaststube angeboten. Die Bruchstücke fügten sich immer mehr zu einem klaren Bild zusammen.
Auf dem Gartenfest fiel ihm sofort die ausgelassene, ja fast euphorische Stimmung der Dorfbewohner auf.
Alle voll auf Droge.
Wie es schien, hatten die Festbesucher schon ein Näschen Chrystal Meth genommen, die Lieferung war also offensichtlich schon eingetroffen. Pröllhuber beschloss, sich als Insider auszugeben, um unter all den aufgeputschten Eifelern nicht aufzufallen. Er ging auf einen jungen Mann zu, der mit mehreren kleinen Bierflaschen in der Hand aus dem Haus kam. »Entschuldigung, kann ich auch was von dem Meth bekommen?«, fragte er ihn ohne Umschweife.
»Aber klaa doch!« – Der starke holländische Akzent des Burschen war nicht zu überhören. Wahrscheinlich der Junior-Pate, Wim van Scheveningens Sohn. »Geh einfach in die Küche, da kann dir Christel Mett geben, soviel wie du willst!«
Okay, mehr Beweise brauchte er nicht.
Drinnen im Haus wurde die Droge tatsächlich für jedermann frei zugänglich angeboten. Jetzt musste Verstärkung her. Allein und unbewaffnet hatte selbst ein bayerischer Elite-Cop wie der Pröllhuber keine Chance gegen ein ganzes Drogenkartell und eine unüberschaubare Zahl von zugedröhnten
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