Kramp, Ralf (Hrsg)
heute wirklich mörderisch!«
»Lange können seine Akkus ja nicht mehr halten«, flüsterte ich zurück. »Und dann geht’s wieder bergauf! Dann muss er selbst in die Pedale treten.«
Mark seufzte.
»He, geht’s endlich weiter?«, rief Herbert uns übermütig zu. »Ihr wisst ja:
Wer rastet, der rostet
.«
Er fuhr an und raste bergab Richtung Salm. Ohne anzuhalten ging es weiter nach Wallenborn zum
Brubbel
. Den Geysir, der dort jede halbe Stunde seine Fontäne ausspuckt, hatte Herbert schon immer mal sehen wollen. Er war ganz begeistert.
Und so ging es weiter. Meistens bergauf.
Als Mark und ich spätabends völlig fertig im
Haus Huschens
eintrafen, war Herbert schon zwei Stunden vor uns angekommen.
Frau Heimes nahm uns die Räder ab und erkundigte sich, ob wir einen schönen Tag verbracht hätten.
»Irgendetwas stimmte nicht mit den Akkus von meinem Mann«, sagte ich verärgert.
»Verstehe ich nicht«, antwortete sie. »Ich habe sie extra heute Morgen, kurz bevor Sie losfuhren, noch ausgewechselt. Die, die Sie aufgeladen hatten, waren wohl defekt. Mit denen wäre er nicht weit gekommen ...
Herbert
Es ist zu schade. Morgen ist der Tag der Abreise. Aber heute Abend findet der Höhepunkt statt: der »Kriminaltango«. Alle sind schon ganz aufgeregt. Auch Susanne. Sie wird mir fehlen, wenn ich wieder zu Hause bin, aber wir haben versprochen, in Kontakt zu bleiben. Ich bin schon sehr gespannt auf die Briefmarkensammlung ihres Vaters.
Hach, es liegt eine richtige Vorfreude in der Luft. Nur Mark und Schnäuzchen haben schlechte Laune. Irgendwie schon, seitdem wir diese Fahrradtour unternommen haben. Verstehe ich gar nicht. Obwohl – Mark hat es nun wirklich nicht leicht mit seiner Frau. Gerda lässt sich meist nur zu den Mahlzeiten blicken. Ansonsten zieht sie sich auf ihr Zimmer zurück und strickt. Ich frage mich, was das werden soll.
»Ein Pullover«, wich sie mir aus, als ich mich gestern beim Frühstück höflicherweise danach erkundigte.
Na, der wird aber ziemlich lang, dachte ich nur.
So, noch fünf Minuten, und der Tango beginnt. Wir vier – Gerda, Mark, Schnäuzchen und ich – sitzen direkt neben der zur Bühne umfunktionierten Tanzfläche. Gleich daneben befindet sich das Buffet. Eine strategisch äußerst günstige Position also!
Der Saal ist proppenvoll. So etwas wird den Michelbachern und auch uns Gästen nicht alle Abende geboten. Jetzt geht es los! Licht aus – Spot an, und die Tatort-Melodie erklingt. Weiter geht es mit
Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett
. Eine Michelbacherin hat sich ganz auf Bill Ramsey getrimmt, mit Perücke und Trompete.
Und dann geht es Schlag auf Schlag:
Einsatz in Manhattan
von Wolfgang Sauer,
Gangster Ball
von den Sunnies und dem Cornel-Trio,
Bonsoir, Herr Kommissar
von Vico Torriani ...
Danach wird das Licht noch eine Spur dunkler. Schwarze Schatten bewegen sich graziös auf der Tanzfläche. Nebel wallt auf, ein Schrei erklingt – und dann ertönt aus den Boxen der »Kriminaltango«. Nicht von Hazy Osterwald, sondern in der rockigen Version der »Toten Hosen«. Klasse! Die Michelbacher Frauen liefern eine oscarreife Performance dazu ab. Unter ihnen erkenne ich Susanne im hautengen schwarzen Catsuit. Sie macht ihre Sache wirklich sehr gut. Fast bin ich ein bisschen stolz auf sie, auch wenn wir nur befreundet sind.
Kriminaltango in der Taverne:
Dunkle Gestalten, rote Laterne
.
Abend für Abend immer das Gleiche
,
denn dieser Tango – geht nie vorbei
...
Eine letzte gewagte tänzerische Choreografie, die Damen erstarren gleichzeitig mit dem Verklingen des letzten Tons. Die Scheinwerfer verlöschen.
Zwei, drei, vier, fünf Sekunden völlige Dunkelheit. Applaus brandet auf. Ein Glas klirrt. Ein Schrei ertönt. Ein weiblicher Schrei! Direkt neben mir!
Dann ein zweiter, ein männlicher!
Das Blut gefriert mir in den Adern.
Ein paar Gäste lachen, halten das für einen Jux.
»Licht! Mach doch endlich jemand Licht an!«
Die Scheinwerfer springen an. Schnäuzchens Kopf ist auf die Tischplatte gesunken. Noch immer strömt das Blut aus einer Halswunde. Unwillkürlich erinnert es mich an den Brubbel in Wallenborn.
Mein Blick wandert weiter. Marks Augen sind erloschen, sein Mund weit geöffnet. Hinter ihm steht Gerda. Seelenruhig zieht sie nun die Stricknadel aus seinem Rücken und sticht erneut zu.
Insgesamt wird die Polizei später sieben Stiche zählen. Schnäuzchen hat nur einen abbekommen, aber der war tödlich. Sie hat zuviel Blut verloren, stellen
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