Krampus: Roman (German Edition)
ein Haus weiter, wo neben einer bunten Plastikspielburg ein umgekipptes Dreirad lag.
Krampus nickte und tätschelte ihr den Kopf. »Isabel, meine kleine Löwin, du steckst voller Überraschungen.« Er ging auf das Haus zu, und die Belznickel folgten ihm im Gänsemarsch.
»Kleine Löwin«, sagte Jesse kichernd und tätschelte ihr ebenfalls den Kopf.
Isabel versetzte ihm einen Knuff.
Da entdeckte Krampus einen großen Plastikweihnachtsmann auf der Veranda und grinste höhnisch. »Dieses Haus sieht aus, als müssten seine Bewohner an den wahren Geist des Julfests erinnert werden.« Er trat auf die Veranda, nahm den Weihnachtsmann und warf ihn in den Vorgarten.
»Sie werden uns abknallen«, brummte Chet.
Ausnahmsweise war Jesse ganz seiner Meinung. Er hatte das ungute Gefühl, dass noch vor dem Ende der Nacht einer von ihnen, wenn nicht gar sie alle, mit einer Ladung Schrot im Leib auf einem Wohnzimmerteppich liegen würden. Jesse kannte in dieser Gegend kaum einen Menschen, der nicht wenigstens eine Schusswaffe besaß – die meisten hatten eher drei bis vier.
Krampus klopfte an die Tür. Sie standen da und warteten, der Herr der Julzeit mit dem schwarzen Sack über der Schulter und einem Bündel Ruten und um ihn herum die Belznickel wie eine verwirrte Halloween-Truppe. Im Haus war das Plärren eines Fernsehers zu hören. Er wechselte einen besorgten Blick mit Isabel.
Erneut klopfte Krampus, diesmal lauter.
Eine Frau rief von drinnen: »Die Tür, Joe. Ich glaube, es ist jemand an der Tür!«
Der Fernseher wurde leiser. »Was hast du gesagt?«
»Ich glaube, ich habe jemanden an der Tür gehört.«
»Himmel noch mal, hast du etwa vergessen, wie man die Tür aufmacht?« Eine lange Minute des Schweigens schloss sich an. »Alles klar«, rief der Mann. »Ich gehe schon selbst. Sonst musst du am Ende noch deinen breiten Hintern bewegen.«
Sie hörten, wie jemand auf Hausschuhen in den Flur stapfte. Kurz darauf ging das Verandalicht an, und die Tür wurde geöffnet. Ein Mann mittleren Alters, dem ein rotes Holzfällerhemd aus Flanell über die grauen Jogginghosen hing, lehnte in der Tür, eine Flasche Bier und eine Zigarette in einer Hand. Der Mann war betrunken, allerdings nicht so sehr, dass er den Herrn der Julzeit nicht als unerwarteten Besucher erkannt hätte.
»Gibt es hier in dieser Wohnstatt brave Kinder?«, fragte Krampus.
Der Mann riss die Augen auf, stolperte mehrere Schritte zurück und ließ Bier und Zigarette fallen. Mit einem Mal wirkte er wieder nüchtern und versuchte, die Tür zuzuknallen. Krampus ließ die Hand nach vorne schnellen, stieß die Tür weit auf und schleuderte den Mann dabei auf den Linoleumboden.
»Ein frohes Julfest dir und deinen Angehörigen!«, rief er, drängte sich hinein, stieg über den Mann hinweg und ging den Flur entlang.
Die Shawnees stürzten sich auf den Mann und hielten ihn am Boden fest. Als er zu brüllen anfing, hob Makwa die Faust.
Isabel packte ihn am Arm, bevor er zuschlagen konnte. »Nein! Böse!«, rief sie. »Aufhören!«
Nervös tastete Jesse nach seinem Schlafsand, doch Vernon war schneller und streute dem Mann eine Prise ins Gesicht. Der kniff die Augen zu und sah einen Moment lang aus, als müsste er niesen, bevor sein Kopf zur Seite sackte und er das Bewusstsein verlor. Die Shawnees wirkten enttäuscht.
Jesse hatte gerade genug Zeit, kurz aufzuatmen, als ein Frauenschrei durch den Flur tönte. Gemeinsam mit Isabel drängte er sich an den Shawnees vorbei, fest entschlossen, Krampus vor ihnen zu erreichen und zu sehen, welchen Ärger er sich diesmal eingebrockt hatte.
Die Frau war etwa im gleichen Alter wie der Mann und nahezu identisch angezogen. Krampus hatte sie in eine Ecke des Zimmers gedrängt, hinter den Weihnachtsbaum. Der Herr der Julzeit nahm den Schmuck vom Baum und zerschlug ihn im Kamin. Er hielt einen glitzernden Weihnachtsmann aus Glas empor. »Nein, nein, nein!«, tadelte er und schleuderte ihn der Frau entgegen. Die Figur zerschellte an der Wand in tausend Stücke, und die Frau stieß einen weiteren Schrei aus.
»Kein Sankt Nikolaus mehr. Nie wieder! Willst du wissen, warum?« Er wartete ihre Antwort gar nicht ab. »Weil er tot ist!«, knurrte Krampus. »Ich habe ihm den Kopf abgeschnitten, und wenn du an meinen Worten zweifelst, kann ich ihn dir gerne zeigen. Möchtest du ihn sehen?«
Die Frau schüttelte den Kopf.
Da entdeckte Krampus das wunderschöne Kreuz aus geblasenem Glas, das oben auf dem Baum steckte, und zog eine
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