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Krampus: Roman (German Edition)

Krampus: Roman (German Edition)

Titel: Krampus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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würdest all das aufgeben?« Der Engel zuckte mit den Schultern. »Wenn das dein Wunsch ist, wenn du sterblich werden möchtest, können wir das durchaus ermöglichen.« Lied und Glockenklang wurden leiser. »Dein Name wird genau wie dein Lied verblassen, und irgendwann werden die Menschen Sankt Nikolaus vergessen.«
    Das Lied verstummte, kein Geräusch war mehr zu hören außer seinem Atmen. Die Stille ließ sein Herz erstarren.
    »Welchen Namen willst du fortan tragen?«, fragte der Engel. »Vermutlich nicht Baldr. Bob? Mike? Tom? Wer wirst du von nun an sein?«
    »Hör auf. Warum quälst du mich so?«
    Der Engel lachte. »Du quälst dich bloß selbst. Glaubst du wirklich, dass du Jesus gleichkommst oder einem anderen der großen Propheten? Du bist ein Kuriosum, ein Mann im roten Anzug, der Geschenke verteilt.«
    Nikolaus knirschte mit den Zähnen.
    »Wir werden deinen Wunsch berücksichtigen. Aber bedenke, dass du Gott den Rücken zugekehrt hast.« Die Engel zogen sich von ihm zurück und verließen die Kapelle.
    »Nein«, sagte Nikolaus.
    Sie entfernten sich weiter.
    »Nein«, rief er. »Nein … geht nicht!« Er wollte ihnen folgen, musste sich jedoch erneut an dem Steinblock festhalten, um nicht hinzufallen. »Ich nehme es zurück!«, rief er. »Ich nehme alles zurück!« Seine Stimme stockte und ging in ein Schluchzen über. »Ich nehme es zurück.«
    Daraufhin blieben sie stehen und musterten ihn voll Mitleid. Dann kehrten sie um. »Wer bist du?«
    Er starrte sie finster an. »Ich bin Sankt Nikolaus.«
    Sie lächelten. »Fasse Mut, Sankt Nikolaus. Du verbreitest Hoffnung und Frohsinn in einer Welt voll Finsternis. Du bist Gott zu Gefallen in einem Universum, in dem so viele andere es nicht sind. Damit solltest du zufrieden sein.«
    Wieder erklangen die Glocken, wärmten ihn, und ihr Klang rührte an seinem tiefsten Innern, an seiner Seele. Eine große Last fiel ihm von der Brust. Er atmete tief durch und fühlte sich wieder vollständig.
    »Genug der Albernheiten«, sagte der Engel. »Die Welt braucht Sankt Nikolaus, und Gott will wissen, ob sie etwas für dich tun kann.«
    Nikolaus wollte gerade den Kopf schütteln, doch dann hielt er inne und sah dem Engel in die Augen. »Ja, allerdings. Es gibt da einen Teufel, der dringend getötet werden muss.«

    ***

    »Hier, der Platz ist so gut wie jeder andere.« Jesse deutete auf den Kirchturm unter ihnen. »Das Licht ist an. Anscheinend sind viele Leute da.«
    Isabel biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte bereits bei den beiden letzten Kirchen, die sie überflogen hatten, ihr Veto eingelegt. Einmal mehr schüttelte sie den Kopf und umarmte Lacy.
    »Was? Wieso denn nicht?«
    »Ich kenne diese Kirche nicht.«
    »Es sind Methodisten, Isabel.«
    Sie rümpfte die Nase.
    »Was, Methodisten magst du plötzlich auch nicht? Erst die Pfingstkirche und jetzt die Methodisten. Seit wann gibt es denn bitte Leute, die Probleme mit Methodisten haben? Ich glaube, du suchst bloß eine Ausrede. Du musst auch mal an Lacy denken.«
    Isabel runzelte die Stirn. »In Ordnung.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    »Wie bitte?«, fragte Jesse. »Hast du gerade ›in Ordnung‹ gesagt? Meinst du damit, dass die Kirche hier okay ist?«
    Sie nickte mit fest zusammengepressten Lippen.
    »Alles klar«, sagte Jesse zu Krampus. »Dort können wir sie hinbringen.«
    Er landete auf einer kleinen Freifläche hinter der Kirche. Eine Hecke schirmte sie zumindest halbwegs von den Häusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite ab. Dem Herrn der Julzeit schien das ohnehin egal zu sein. Seit ihrem Aufbruch hatte er nicht ein einziges Wort gesprochen. Nun starrte er die Kirche an, als handelte es sich um ein Geschwür am Leib der Erde.
    Jesse half Lacy vom Schlitten, während er gleichzeitig Isabel im Auge behielt, die weiterhin kritisch die Kirche musterte. Er wusste, dass ihr der kleinste Vorwand genügen würde, um die ganze Sache abzublasen.
    Isabel nahm das Mädchen bei der Hand. Nachdem über eine Minute vergangen war, ohne dass jemand etwas gesagt oder Isabel sich gerührt hatte, legte Jesse ihr die Hand auf die Schulter und flüsterte ihr zu: »Du tust das Richtige.«
    Sie nickte. »Ich weiß. Ich weiß.« Trotzdem blieb sie stehen.
    »Ich komme gerne mit dir mit.«
    »Nein. Ich möchte nicht, dass einer von uns gesehen wird … egal wer. Das würde es für Lacy nur schwerer machen.« Sie schaute auf das Mädchen herab. »Also gut, dann wollen wir dir mal jemand richtig Nettes

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