Krampus: Roman (German Edition)
mag und weil ich ganz sicher nicht mit ansehen will, wie ihnen schlimme Dinge passieren. Das ist kein Scherz. Früher hätte ich mir auch keine Gedanken gemacht, wenn der General große Reden schwingt, aber nach allem, was ich in letzter Zeit so gesehen habe, würde ich es nicht drauf ankommen lassen. Wenn er damit droht, dein kleines Mädchen unter die Erde zu bringen, solltest du das lieber ernst nehmen. Mal ehrlich, der Kerl kann dich nach Lust und Laune tanzen lassen. Also erspar uns den Ärger und spiel mit. Alles klar?«
Jesse antwortete ihm nicht, nicht einmal mit einem Nicken. Er ließ den Motor an, ignorierte den stechenden Schmerz in seiner Hand, als er den Gang einlegte, fuhr rückwärts davon und ließ Chet mit dem Sack voller Spielkonsolen stehen.
Kapitel 4
Teufelsmänner
S ankt Nikolaus warf einen Blick über die Schulter. Die beiden Jungen auf ihren BMX-Rädern waren ihm immer noch auf den Fersen. Am Morgen hatte er Stromkabel entdeckt und war der Spur westwärts gefolgt, die ihn zu einem fahrbaren Fertighaus in Übergröße geführt hatte. Als er vorbeigekommen war, waren die beiden Jungen davor auf einem Trampolin auf und ab gesprungen. Sie hatten ihm hinterhergestarrt, bis er außer Sicht gewesen war. Jetzt, ein paar Kilometer weiter, spähten sie plötzlich hinter einem Dickicht hervor und verfolgten jeden seiner Schritte.
Denen sollte man dringend das Mütchen kühlen. Schließlich geht es nicht an, dass Kinder dem guten alten Nikolaus dabei zuschauen, wie er Krampus und seine Missgeburten in ihre Einzelteile zerlegt.
Ein entferntes Krächzen drang an seine Ohren, ein höchst willkommenes Geräusch. Mit Blicken suchte er den Himmel ab, erspähte jedoch nur schwere Wolken. Er nahm das Horn von seinem Gürtel und blies einmal kurz hinein. Eine Sekunde später wurde er durch einen weiteren Schrei und den Anblick zweier dunkler Umrisse belohnt, die aus den Wolken auf ihn zuflogen.
Sie landeten auf dem knorrigen Ast einer umgestürzten Eiche – Hugin und Munin, die beiden stattlichen Raben. Die prachtvollen Vögel waren so groß wie Adler, und ihr schwarzes, glattes Gefieder glänzte. Sie blickten Nikolaus aus neugierigen, alterslosen Augen an.
»Erinnert ihr euch noch an Krampus? Ja, natürlich. Anscheinend ist er nicht im Dunkeln verendet, wie man es hätte erwarten sollen. Irgendwie ist er unter seinem Stein hervorgekrochen, um Unheil anzurichten, was ihm wahrhaftig gelungen ist. Also, mein Weihnachtssack ist verlorengegangen – er befindet sich irgendwo da draußen in der nahen Ortschaft.«
Die beiden Vögel legten fragend die Köpfe schräg.
»Sucht nach seinen Geschöpfen, seinen Missgeburten, den Belznickeln, denn auch sie sind sicherlich auf der Jagd. Wenn ihr sie findet, verfolgt sie wie ein dunkles Omen und führt mich mit euren Schreien zu ihnen … denn mein Schwert dürstet es nach ihrem Blute.«
Die Raben krächzten und nickten, wie es ein Mensch getan hätte.
»Geht, meine Lieben, beeilt euch. Findet sie und weist mir den Weg.«
Die Raben erhoben sich in die Lüfte und wirbelten auf ihrem Weg hangabwärts mit ihren Flügelschlägen das gefrorene Laub auf.
Nikolaus hörte ein Klappern, drehte sich um und stellte fest, dass die Jungen sich näher herangewagt hatten, als es klug für sie war. Sie saßen auf ihren Fahrrädern und starrten ihn an. Er ging auf sie zu. Der Jüngere sah aus, als wollte er fliehen, denn er warf dem Älteren nervöse Blicke zu. Letzterer, ein Teenager von dreizehn oder vierzehn Jahren, wirkte ebenfalls verunsichert, blieb aber standhaft.
»Wozu tragen Sie denn das Kostüm?«, fragte der Teenager.
»Genau«, warf der Jüngere ein. »Warum haben Sie sich als Weihnachtsmann verkleidet?«
»Weil ich der Weihnachtsmann bin.«
Der ältere Junge schnaubte. »Verscheißern kann ich mich alleine.«
Der Jüngere schnaubte ebenfalls.
Nikolaus fiel wieder ein, warum er Teenager hasste – weil sie sich so sehr anstrengten, an nichts zu glauben. Sie gaben sich alle Mühe, auch allen anderen jeglichen Zauber zu verderben. »Geht nach Hause.«
Der Teenager blinzelte. »He, wir leben in einem freien Land. Sie können uns nicht erzählen, was wir zu tun haben.«
»Ist das Fahrrad neu?«
»Klar«, sagte das Kind mit unverhohlenem Stolz. »Hab ich zu Weihnachten gekriegt. Echt heißer Ofen.«
»Würdest du bitte mal absteigen?«
»Was? Wozu?«
»Damit du nicht draufsitzt, wenn ich es den Hang hinunterwerfe.« Nikolaus deutete mit einer Kopfbewegung
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