Krampus: Roman (German Edition)
Müll durch die Luft segeln.
Einen Moment später krachte die Gestalt in Millies Gartenzaun und kullerte durch ihren Vorgarten.
Jesse raste hangabwärts in Richtung Hauptstraße. Die Schlaglöcher schleuderten den Wagen von einer schmalen Fahrbahn auf die andere. Er mähte eine Reihe Briefkästen am Fuß des Hangs um, geriet ins Schlingern und polterte durch den Graben auf die Hauptstraße. Dort trat er auf die Bremse, sodass er mit den Hinterreifen im Graben auf der anderen Seite der Straße zum Stehen kam. Jesse blickte in die Richtung, aus der er gekommen war, und sah, wie alle fünf Geschöpfe schnell und agil wie Rehe auf ihn zugerannt kamen. Die Augen, diese unheimlichen, funkensprühenden Augen blieben fest auf ihn gerichtet.
»Kacke!« Er trat aufs Gas, und die Räder drehten im Schneematsch durch. Einen Moment lang war er davon überzeugt, dass er feststeckte und alles vorbei war, aber dann tat der alte Ford seinen Dienst, die Reifen griffen quietschend auf dem Asphalt, und er raste davon.
Er erhaschte noch einen letzten Blick auf seine Verfolger, die weit hinter ihm zurückgeblieben waren. Sie wurden nicht langsamer und schienen auch nicht geneigt aufzugeben. Da begriff Jesse, dass er so weit davonlaufen konnte, wie er wollte – diesen brennenden Augen würde er niemals entkommen. Sie würden ihn für den Rest seines Lebens durch seine Albträume hetzen.
***
Jesse fuhr um die hundertzwanzig, ohne auf den kalten Wind und den feuchten Schnee zu achten, die durch das Loch in der Windschutzscheibe drangen. Der alte V8-Motor röhrte und heulte und schien jeden Moment auseinanderzufliegen. Jesses Herz pochte noch immer wie wild. Die Stadt lag fünfzehn Kilometer hinter ihm, er war nach Süden unterwegs und würde bald die Grenze des Bundesstaats erreichen, was ihm ganz recht war. Er hatte nicht vor, langsamer zu werden, bevor er in Kentucky war, wenn nicht in Mexiko.
Er warf einen wütenden Blick auf den Weihnachtssack, als hätte das Ding ihn betrogen. Ohne langsamer zu werden, beugte er sich vor und kurbelte das Beifahrerfenster herunter. Er zerrte den Sack aus dem Fußraum und warf ihn hinaus. Der Beutel kullerte über den Asphalt und landete im Graben.
Er war fertig mit Goodhope, fertig mit West Virginia, fertig mit den verrückten Teufelsmännern und ihren orange leuchtenden Augen, fertig mit dem ganzen Blödsinn. Wenn Linda diesen Mistkerl Dillard unbedingt heiraten will, wenn sie sein großes Haus will, sein schickes Auto … dann soll sie ihn haben. Kann sie alles gerne haben!
Er versuchte, den Gedanken nicht zu Ende zu denken, aber da war noch etwas, eine Sache, der er unmöglich den Rücken zukehren konnte, und tief in seinem Innern wusste er das auch. Er konzentrierte sich auf die Straße, auf die gelben Streifen, die an ihm vorbeisausten, und gab sich alle Mühe, nicht ihren Namen zu hören, ihre Stimme … Daddy. Jesse biss die Zähne zusammen und umklammerte das Steuer so fest, dass das Loch in seiner Hand zu pulsieren begann.
Du hast den General gehört. Du hast ihn ganz genau verstanden. Er wird Abigail in eine Kiste stecken.
»Er wird es nicht tun. Niemals.«
Was, wenn doch? Kannst du damit leben?
Jesse nahm den Fuß vom Gas.
Der Wagen verlangsamte auf siebzig … fünfzig … dreißig … zehn Stundenkilometer.
Es gibt keinen einfachen Ausweg. Nicht für dich, Jesse. Wie immer.
Er erreichte einen leeren Gebrauchtwagenhof und fuhr unter den zerfledderten Werbebannern durch das Tor. Auf dem Schaufenster hingen verblichene, teilweise abgeblätterte Buchstaben, die die Worte RÄUMUNGSVERKAUF WEGEN GESCHÄFTSAUFGABE bildeten. Jesse stieg aus und knallte die Tür zu. In der Beifahrertür war eine tiefe Delle, der Seitenspiegel war abgerissen, und er hatte nur noch einen Scheibenwischer – von dem faustgroßen Loch in der Windschutzscheibe mal abgesehen. Ihm fiel auf, dass der kleine Plastik-Jesus von Millie Boggs zwischen dem Fahrerhaus und der Campingkabine steckte. Der Baby-Heiland schien ihm zuzulächeln.
»Na, amüsierst du dich?«, schrie Jesse die Puppe an.
Das Jesuskind antwortete nicht.
»Ich habe keine Ahnung, was ich dir jemals getan habe. Danach zu urteilen, wie die Dinge laufen, muss es etwas ziemlich Schlimmes gewesen sein.« Er trat gegen die Tür. »Dabei hatte ich eigentlich schon genug Scheiße an der Backe.«
Jesse ließ den Blick wieder zu dem Loch in der Windschutzscheibe wandern und stieß einen tiefen Seufzer aus. »Das muss repariert werden.« Er
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