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Krampus: Roman (German Edition)

Krampus: Roman (German Edition)

Titel: Krampus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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auf die steile Böschung an einer Seite des Pfads, die zu einer Schlucht voll spitzer Steine hinabführte.
    »Wollen Sie mir drohen, Mister?«
    Nikolaus packte das Rad bei der Lenkstange, trat mit dem Stiefel in die Speichen des Vorderrads und stampfte auf, wodurch der Großteil der Speichen brach. Das Vorderrad war verbeult.
    »He!«, schrie der Junge. »He, das dürfen Sie nicht!« Er stand auf.
    Im selben Moment riss Nikolaus ihm das Rad unterm Hintern weg. Er hob es über den Kopf und warf es den Hang hinunter. Das Rad rollte davon, überschlug sich, hob ab und krachte auf die Steine am Boden.
    Die beiden Jungen standen mit weit aufgerissenen Mündern da und starrten hinab.
    »Vermutlich ist es keine gute Idee, wenn ihr beide mir weiter folgt. Findet ihr nicht auch?« Nikolaus wartete ihre Antwort nicht ab – er hatte Dringenderes zu erledigen. Also drehte er sich um und eilte weiter.

    ***

    Mit zusammengezogenen Brauen und verkrampften Kiefermuskeln raste Jesse zu Dillards Haus. Ohne den Blick von der Straße zu wenden, beugte er sich vor, öffnete das Handschuhfach, kramte die Pistole hervor und legte sie neben sich auf den Sitz. »Ich hole mir jetzt meine Tochter«, sagte er laut zu sich selbst, als ob er es ernst meinte. »Wer auch immer sich mir in den Weg stellt, den knalle ich ab.«
    Zwei Kilometer weiter fuhr er in eine Tankstelleneinfahrt. »Scheiße!« Er nahm den Revolver in die Hand und starrte ihn finster an. Einmal mehr hörte er die Stimme des Polizeichefs: Du wirst es nicht tun. Das weiß ich mit absoluter Sicherheit. Wenn ich eines kann, dann einem Mann ansehen, aus welchem Holz er geschnitzt ist.
    Jesse betrachtete das Loch in seiner Hand. »Den General knalle ich gleich mit ab«, knurrte er. »Ich erschieße jeden Einzelnen von diesen Dreckskerlen.« Doch in seinem Wagen klangen die Worte hohl, und er fühlte sich dadurch nur noch mieser.
    Er schaltete den Motor aus und ging in der Tankstelle aufs Klo. Dort ließ er sich warmes Wasser über die verletzte Hand laufen und wusch die Wunde so gut es ging aus. Er spreizte die Finger und ballte sie zur Faust. Sie wurden langsam steif, und das dunkle Fleisch um die Wunde herum begann anzuschwellen. Er wickelte einige Papierhandtücher darum und fragte sich, ob er jemals wieder würde Gitarre spielen können. Vielleicht hat der General mir einen Gefallen getan. Vielleicht ist es besser für mich, wenn ich nicht mehr spielen kann. Wenn ich das Musikmachen aufgebe.
    Er stieg wieder in den Wagen und beschloss, erst einmal nach Hause zu fahren und über alles nachzudenken. Was gibt es da nachzudenken?, fragte er sich selbst. Er bekam Dillards Stimme einfach nicht aus dem Kopf. Ich würde ihn abknallen. Scheiß auf die Folgen. So benimmt sich ein echter Mann.
    Wenige Minuten später war Jesse zurück in King’s Kastle und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen, während er durch Schlaglöcher fuhr und Schlamm aufspritzte. Es wurde langsam spät. In zwei oder drei Stunden rechnete Chet bei der Grundschule mit ihm, und wenn er nicht auftauchte, würde es ziemlich schnell ziemlich hässlich werden. Ich kann diese Fahrten nicht länger machen. Sonst lande ich irgendwann im Gefängnis. Was ich auch tue, immer nimmt es ein böses Ende. Was soll ich denn nur tun? Was zum Geier soll ich tun?
    Er zog die Zigarettenschachtel aus der Brusttasche und fischte nach einer Kippe, fand jedoch keine. Genervt knallte er die Schachtel auf das Armaturenbrett, und ein paar Tabakkrümel fielen heraus. »Na super. Richtig super.« Jesse knüllte die Schachtel zusammen und warf sie in den Fußraum. »Sieh mal einer an.« Zwei riesige Vögel zogen über seinem Anhänger ihre Kreise. Erst hielt er sie für Bussarde, doch als er näher kam, sah er, dass sie eher Raben oder Krähen ähnelten. Er warf einen Blick auf seinen Anhänger. »Was ist denn das jetzt schon wieder?«
    Die Tür zu seinem Anhänger stand offen. Drinnen nahm Jesse eine Bewegung wahr: Er konnte eine vornübergebeugte Gestalt ausmachen. Sie stand mit dem Rücken zu ihm da und durchwühlte ein paar Kisten in Türnähe. Da sie eine dunkle Jacke trug und eine Kapuze aufhatte, konnte Jesse ihr Gesicht nicht erkennen und hatte keine Ahnung, um wen es sich bei dem Besucher handelte.
    Er fuhr vorbei, ohne langsamer zu werden, als wohnte er ein Stück weiter, in der Hoffnung, dass die Gestalt ihn nicht bemerkt hatte. Vor Jesse lag eine Sackgasse, weshalb ihm nichts anderes übrigblieb, als zu wenden. Er fuhr auf die

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