Krank für zwei
kann. Die Arbeit der Spurensicherung ist abgeschlossen, und zum Glück war der OP-Bereich nicht direkt betroffen. Die weiteren Ermittlungen müssen nebenher laufen. Wir sind ein Krankenhausbetrieb. Den kann man nicht über längere Zeit dichtmachen. Die Patientenversorgung steht schließlich an erster Stelle.«
»Meinen Sie nicht, daß viele Patienten sich trotzdem durch diese Mordgeschichte abschrecken lassen und in ein anderes Krankenhaus gehen?« Oh, wie liebte ich Alexas Direktheit. Sie konnte mit Wonne in offenen Wunden herumpuhlen. Frau Dr. Rosner jedoch ließ sich nicht irritieren. Sie blickte eher amüsiert, als sie antwortete.
»Ich bin sicher nicht die Richtige, um solche Fragen zu beantworten. Schließlich bin ich erst seit sechs Wochen hier an der Klinik.«
»Und vorher?« Ich konnte meine Neugier nicht zurückhalten. Wenn mich nicht alles täuschte, hatte Frau Dr. Rosner einen interessanten Lebenslauf zu bieten.
»Ich habe drei Monate für Ärzte ohne Grenzen gearbeitet Im Kongo.« Treffer. Mein Instinkt hatte mich nicht getäuscht. Frau Dr. Rosner lehnte sich ein wenig nach hinten. »Ich will hier bestimmt nicht die Weltumseglerin raushängen, aber wenn man die Not in Lokuto gesehen hat, dann hat man für die Belegungsprobleme eines mittelständischen Krankenhauses nicht allzu viel Verständnis.« Die Ärztin rieb sich das Auge. »Trotzdem ist mir klar, daß diese Mordgeschichte viel Unruhe ins Haus bringt. Und daß sich so etwas niemand wünscht, ist nur allzu verständlich. Gerade jetzt, da die Karten neu gemischt werden und jede Abteilung sich ins rechte Licht setzen muß, trifft das die Chirurgen besonders hart.«
»Wie meinen Sie das – die Karten werden neu gemischt?«
»Nun, es ist kein Geheimnis mehr, daß sich das Pankratius eventuell mit dem Katharinen-Krankenhaus zusammenschließen wird. Natürlich hat das nur einen Grund: Man möchte Kosten sparen und Synergie-Effekte erzielen. Verwaltung, Schwesternausbildung, da kann man mächtig einsparen. Noch interessanter wird es natürlich in bezug auf die einzelnen Abteilungen. Wer sagt, daß man noch zwei chirurgische Abteilungen braucht – oder zwei gynäkologische? Da ist es doch viel ökonomischer, hier eine leistungsstarke Gynäkologie auszubauen und drüben im Katharinen eine entsprechende Chirurgie – oder eben umgekehrt. Noch sind das Gedankenspiele, aber anderswo ist aus Gedankenspielen ruckzuck Realität geworden, als es um Einsparungen ging.« Rosner schlug die Beine übereinander. »Kein Wunder also, daß in allen Abteilungen leichte Nervosität spürbar ist. Jeder muß sich beweisen, überall muß die Bettenbelegung stimmen, allerorten muß rationell gearbeitet werden, denn nur so hat man die Chance, aus der Fusion als Sieger hervorzugehen. Denn eins ist klar: Wenn um die Abteilungen gefeilscht wird, dann zittert vor allem die gehobene Truppe.
Ein Assistenzarzt wird gerne auch im Katharinen in die Mannschaft genommen, denn beim derzeitigen Ärztemangel kann man froh über jeden Assistenzarzt sein, den man bekommt. Aber zwei Chefärzte kann man beileibe nicht gebrauchen. Und bezahlen will man sie schon gar nicht. Sie verstehen?«
»Ich verstehe so einiges«, erklärte Alexa nachdenklich. »Was mich jedoch außerdem noch interessiert: Was passiert jetzt mit Dr. Peulers Stelle?«
»Dr. Peulers Stelle«, Rosner schmunzelte in sich hinein. »Das wird spannend. Daran wird sich einiges zeigen. Wenn die Stelle neu besetzt wird, trägt das sicherlich zur Stärkung der Abteilung bei. Läßt man die Stelle unbesetzt, dann hält man sich alle Optionen offen.«
»So ist das also«, brummte ich und verschränkte die Arme hinter meinem Kopf.
»So ist das.« Frau Dr. Rosner beugte sich nach vorn.
»Werden Sie zurückgehen?« Alexa blickte die Ärztin durchdringend an. »Oder bleiben Sie im Sauerland?«
»Das Sauerland«, murmelte ich, »neues Einsatzgebiet für Ärzte ohne Grenzen.« Frau Dr. Rosner hatte mich zum Glück nicht gehört.
»Zurück in den Kongo?« Frau Dr. Rosner zupfte an ihrer Halskette. »Das wohl nicht. Aber ein weiteres Auslandsprojekt mache ich auf jeden Fall, wenn ich mich hier ein bißchen erholt habe. Und in der Zwischenzeit gibt es ja genügend Abwechslung.«
»Ich hoffe, Sie meinen damit nicht den Mord.«
Frau Dr. Rosner lachte. »Nun, auf Abwechslung dieser Art kann ich durchaus verzichten. Aber wie mir scheint, sind Sie an der Sache ziemlich interessiert.«
»Nun, ich habe den Toten gefunden«,
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