Krank für zwei
rechtfertigte ich mich. »Das geht einem natürlich nicht so schnell aus dem Kopf.«
Frau Dr. Rosner hielt den Kopf schief. »Ist es im Fernsehen nicht immer so, daß jeder Arzt eine Liaison mit einer Krankenschwester hat? Daraus läßt sich doch ein Mordmotiv stricken, oder etwa nicht?«
Ich schmunzelte. »Keine schlechte Idee. Trauen Sie Peuler das zu?«
»Puh, das fragen Sie mich? Ich bin doch erst sechs Wochen hier«, Frau Dr. Rosner dachte einen Augenblick nach. »Nein, ich glaube nicht. Der Mann war von der alten Schule. Dem wäre so etwas nicht passiert.« Die Ärztin schob die Unterlagen zusammen, die sie in den Händen hielt »Mit der Operation morgen ist dann alles klar?« Die Frau konnte schnell das Thema wechseln. Im übrigen war ihre Frage gar keine richtige Frage.
»Natürlich, alles bestens«, murmelte ich zustimmend.
»Dann weiter alles Gute!« Dr. Rosner reichte uns zum Abschied die Hand. »Vor allem bei der Geburt.«
An der Tür drehte sich die braun gebrannte Ärztin noch einmal um. »Im Kongo bin ich zweimal zu einer Geburt gerufen worden. Natürlich bekommen die Frauen dort ihre Kinder zu Hause. Nur wenn es Komplikationen gibt, rufen sie einen Arzt.« Alexa nickte lächelnd. Frau Dr. Rosner war noch nicht fertig. »Freuen Sie sich darauf. Es ist so ziemlich das Aufregendste, was man auf der Welt erleben kann.«
Einen Moment später war sie aus der Tür.
»Wie wäre das?« fragte Alexa auf einmal. »Wie wäre es mit einer Geburt bei uns zu Hause?«
»Ungünstig«, sagte ich trocken. »Du zu Hause, ich im Krankenhaus – paßt irgendwie nicht zusammen.«
»Schade«, Alexa blickte aus dem Fenster. »Sie ist ein interessanter Typ. Eine, die nicht nur ihre Karriere im Kopf hat, sondern die über den Tellerrand hinausblickt. Außerdem war es interessant, was sie über die Klinik erzählt hat«, Alexa wurde zusehends munterer. »Wenn es stimmt, daß die beiden Krankenhäuser fusionieren, könnte jemand besonderes Interesse haben, Peuler aus dem Weg zu räumen.«
»Der Chefchirurg der Nachbarklinik?« fragte ich ironisch.
»Zum Beispiel«, Alexa mußte selber grinsen.
»Ich liebe dich, Doc Watson«, rief ich meiner Gattin zu. »Meine Liebe ist grenzenlos. Verlangst du noch mehr?«
»Für den Anfang reicht das«, Alexa lächelte mich liebreizend an. »Über die Zukunft sprechen wir dann später.«
Mich überkam eine Welle der Zärtlichkeit, und ich hätte Alexa gern zu mir ins Bett gezogen. Allerdings gab es diverse Argumente, die eindeutig dagegen sprachen: Eine hochschwangere Alexa zum Beispiel, dann mein entzündeter Blinddarm, außerdem ein Krankenzimmer, das nicht gerade Verführungscharakter hatte. Ein Blick nach links überzeugte mich dann ganz. In der Tür stand Schwester Berthildis mit einem Blutdruckmeßgerät in der Hand.
»Hallo Herr Jakobs«, strahlte sie mich an. »Mal sehen, wie es Ihnen so geht.«
Als die Stationsschwester ihre Manschette um meinen Oberarm legte, waren Blutdruck und Puls schon wieder im normalen Bereich.
11
Am frühen Nachmittag trieb mich der Hunger zum Jagen und Sammeln. Nach wir vor geisterte mir der tote Dr. Peuler durch den Kopf, aber mein Magen knurrte so laut, daß Nahrungsaufnahme dringend angesagt war. Alexa war längst nach Hause gegangen, sie hatte am späten Nachmittag einen Termin beim Friseur und wollte sich vorher noch hinlegen. Leider hatte ich sie nicht überreden können, das Frisierlädchen auf Station eins zu nutzen, das ich besonders originell fand. Nein, Alexa wollte lieber zu ihrem Szenefriseur Ben, der zugegebenermaßen auf ganz andere Weise originell war.
Als ich einen Schritt aus der Tür machte, sah ich, daß auf der Station wieder normales Leben eingekehrt war. Eine Praktikantin zog mit einem Rollwagen voller Sprudelflaschen von Zimmer zu Zimmer. Linkerhand humpelte der Unermüdliche mit Krücken den Gang entlang.
Instinktiv machte ich mich auf den Weg rechts den Gang hinunter, wo mir ein weiterer Krankenhausinsasse entgegenkam. Ein Blick auf seinen Bademantel zeigte mir, daß ich mit meinem Exemplar durchaus im Trend gelegen hatte. Der Mitpatient besaß ein Modell, das meinem unglaublich ähnlich war, nur daß seins in diversen Grün-, nicht Brauntönen gehalten war. Von mint- bis jagdgrün war alles vertreten. Ich selbst hatte mir inzwischen meine normale Straßenkleidung angezogen. So krank fühlte ich mich nicht, als daß ich den ganzen Tag im Bett hätte liegen müssen. Der Mann in Grün bewegte sich langsam und
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