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Krank für zwei

Krank für zwei

Titel: Krank für zwei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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Kirschen fast vier Meter hoch hingen. Nun, vielleicht war Frau Kastner die sauerländische Einmachkönigin gewesen. Unter zwanzig Kilo Ernte machten die es nicht. Max sah sich weiter um. Es war ihm eigentlich ganz recht, daß er allein hier war. Jan Vedder hatte ihm glattweg einen Vogel gezeigt. Eine Geschichte, die so lange zurückliegt – warum sollte dieser Kastner plötzlich zum Racheengel werden? Nun ja, zumindest telefonisch hatte es Vedder noch versucht. Als sich Kastner dann nicht gemeldet hatte, war der Notizzettel auf eine Ablage gewandert. Und nun war Max nach Dienstschluß hergekommen – ohne Vedder. Allerdings hatte er dadurch ein Problem. Allein konnte er schlecht bei Kastner an der Haustür schellen und höflich nach Dr. Peuler fragen. Deshalb hatte er beschlossen, sich zunächst von hinten dem Grundstück zu nähern. Er wollte sich ein Bild machen. Vielleicht war Kastner inzwischen bettlägerig und zu keiner Bewegung mehr fähig. Dann hatte sich die Sache erledigt, aber er wußte wenigstens Bescheid. Plötzlich hörte Max ein Geräusch. Musik. In einem der Nachbargärten war Musik angestellt worden. Vielleicht eine Geburtstagsparty, die in diesen Sekunden eine Steigerung erfuhr. Max war jetzt nur zwei bis drei Meter von der Terrasse entfernt. Das Haus war altmodisch. Es gab keine bodentiefen Terrassentüren vom Wohnzimmer nach draußen, wie in modernen Einfamilienhäusern üblich. Hier war offensichtlich nachträglich eine kleine Terrasse an der Rückwand des Hauses angelegt worden, von der es keinen direkten Zugang zum Haus gab. Mit ein paar durchsichtigen Wellplatten, die sich inzwischen algengrün gefärbt hatten, war das Ganze überdacht worden. Es standen ein paar weiße Gartenstühle auf den Waschbetonplatten, in der hintersten Ecke auch ein Spaten, eine Hacke und ein Besen. Außerdem hing ein Gemälde an der Hauswand. Ein Gebirgspanorama, das aussah, als sei es mit Klarsichtfolie überzogen, um es vor der Witterung zu schützen. Nicht weit davon entfernt entdeckte Max ein Geweih an der Wand. Es war also alles da, was zum Terrassenglück nötig war.
    Vorsichtig bewegte Max sich auf die Hauswand zu und versuchte sich zu orientieren. Die Haustür befand sich auf der linken Seite. Er beschloß daher, rechts um die Ecke zu biegen. Auch da mußten schließlich ein paar Fenster sein, durch die er einen Blick riskieren konnte. An der Ecke angekommen, sah er, daß er Glück hatte. Aus drei Fenstern strahlte gelbes Licht. Es war also jemand zu Hause. Das erste Fenster war ziemlich hoch und klein. Eine Toilette, Gott sei Dank leer. Jemand hatte vergessen, das Licht auszuschalten. Das nächste Fenster war etwas größer. Die Küche. Wieder war niemand im Raum. Max versuchte sich einen Eindruck zu verschaffen. Eine altertümliche Tapete – braune und orangefarbene Teekesselchen, die sich munter abwechselten. Die Möbel wirkten ein wenig zusammengeschustert, ein dunkler Tisch mit drei Stühlen, ein gelblicher Schrank an der Seite. Irgend etwas fiel Max auf. Jetzt wußte er es. Die Küche war zu gepflegt. Es lagen keine Kaffeefilter oder Apfelschalen herum. Zwei gespülte Tassen standen zum Abtropfen bereit, die Frühstücksbrettchen standen wohlsortiert in einer Ablage. Das ist kein Junggesellenhaushalt, dachte Max, hier muß es eine Frau geben.
    Womm! Genau in diesem Moment bekam er einen Schlag auf den Hinterkopf. Er taumelte und fiel auf die Seite. Vor seinen Augen schwamm alles. Trotzdem gelang es ihm, sich zur Seite zu rollen. Als er sein Gesicht dem Angreifer zuwandte, hatte er plötzlich eine skurrile Szene vor Augen. Ein alter Mann im Trainingsanzug, in der Hand einen Spaten, dahinter eine Frau im passenden Alter, ausstaffiert mit Kopftuch und wild gemustertem Kittel. Max hatte trotz dröhnendem Kopf noch Gelegenheit, an die Teekesselchentapete zu denken und daran, wie sich Kittel und Tapete wohl im Duett machten. Dann jedoch fiel ihm der Besen auf, den die Frau angriffsbereit in der Hand hielt.
    »Aber ich habe doch nur–«, wimmerte Max. Dann wurde er ohnmächtig.
    Er konnte nicht lange bewußtlos gewesen sein, denn als er erwachte, standen die beiden Alten noch immer über ihm. Allerdings debattierten sie jetzt heftig.
    »Ich rufe die Polizei«, erklärte der Mann entschlossen. »Der wollte ins Haus einsteigen. Ein Ganove, das sieht man auf den ersten Blick.«
    »Ich bin von der Polizei«, flüsterte Max. Trotz schwacher Denkleistung war ihm klar, daß er nur so seine Haut noch retten

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