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Krank für zwei

Krank für zwei

Titel: Krank für zwei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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konnte.
    »Er ist von Polizei, siehst.« Die Frau hatte einen slawischen Akzent. Jetzt war Max auch klar, warum er sie sich genauso gut auf einem polnischen Rübenfeld hätte vorstellen können.
    »Vielleicht lügt er ja«, zischte der Mann. »Haben Sie einen Ausweis?«
    »Wenn ich erstmal –« Max faßte sich an den Kopf. Es kam ihm vor, als habe man mit einem einzigen Schlag alle Nervenbahnen in Hochspannung versetzt, die zum Kopf hin oder durch den Kopf durch führten. Diese Aktion würde ihn eine 10er-Packung Aspirin kosten, mindestens.
    »Arme Junge!« Die Mammuschka legte jetzt ihren Besen beiseite und beugte sich zu Max hinunter. »Muß erstmal besorgt werden.« Sie konnte es nicht lassen, noch einen bösen Seitenblick auf den Trainingsanzügler zu werfen, bevor sie Max in die Vertikale verhalf.
    »Geht schon, geht schon«, stammelte der. Noch einmal überkam ihn ein Schwindel. Zur Sicherheit lehnte er sich an die Hauswand.
    »Mußt erstmal ins Haus kommen«, befahl die gemusterte Frau und faßte ihn schlichtweg unter. Ihrem Begleiter blieb nichts anderes übrig, als seine Gartengeräte wegzuräumen.
    Als Max auf dem Sofa des rustikalen Wohnzimmers lag, ging es ihm schon deutlich besser. Seine Erretterin hatte ihm einen Tee gekocht, mit dem wahrscheinlich schon während des Dreißigjährigen Kriegs die Soldaten gestärkt worden waren. Jedenfalls spürte Max eine Wirkung, wie er sie sonst bei keinem Getränk erlebt hatte.
    »Warum nicht einfach geklingelt?« fragte seine Gastgeberin, die sich neben ihn aufs Sofa gequetscht hatte. Max war inzwischen so weit, daß er diese Frau liebte.
    »Ich weiß auch nicht. Ich wollte mir zunächst einfach diesen Kirschbaum ansehen.«
    Der Kopf des Mannes, der auf einem Stuhl in der Nähe gesessen hatte, schnellte nach oben. »Den Kirschbaum?«
    »Sie haben Ihre Frau nach einem Sturz vom Kirschbaum verloren, nicht wahr, Herr Kastner?«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Vielleicht ist Ihnen bekannt, daß Dr. Peuler ermordet worden ist. Dr. Peuler ist der Arzt, mit dem Sie damals im Krankenhaus zu tun hatten.«
    »Der ist ermordet –?«
    »Wir lesen nicht Zeitung«, erklärte die gemusterte Gastgeberin. »Steht nur Mist drin.«
    »Dr. Peuler ist in seinem Büro erschlagen worden. Das haben Sie nicht gewußt?«
    »Wir gehen nicht sehr viel aus«, erklärte Kastner. »Ich habe noch nicht davon gehört.«
    »Herr Kastner, wo waren Sie vorgestern, morgens gegen sieben Uhr?«
    »Vorgestern? Um sieben? Ich war im Bett. So früh stehe ich noch gar nicht auf«, Herr Kastner wurde jetzt sehr aufgeregt. »Ich war im Bett.«
    »Ist wahr. Immer schläft bis neun Uhr«, erklärte Mammuschka, die ganz offensichtlich Kastners Lebensgefährtin war.
    »Haben Sie den Tod Ihrer Frau eigentlich mittlerweile verdaut?«
    »Warum fragen Sie das?« Kastner wurde ungehalten. »Ich war 36 Jahre verheiratet. Wissen Sie, was das bedeutet? 36 Jahre?«
    »Und glauben Sie ernsthaft, daß Dr. Peuler eine Mitschuld am Tod Ihrer Frau trägt?«
    Kastner sank zusammen, als er die Frage hörte.
    »Nein«, der Mann sprach jetzt ganz leise. »Nicht mehr. Gertrud hat selbst unterschrieben. Das war ihre Art. Sie wollte nach Hause. Sie wollte sich nicht sagen lassen, wo sie übernachten soll. Sie hat unterschrieben. Wir haben das Risiko selbst übernommen.«
    Max sah Herrn Kastner eine Weile an. Er log nicht. Er hatte seinen Zorn überwunden. Wahrscheinlich nicht zuletzt mit Hilfe dieser neuen Frau. Max nahm einen letzten Schluck von dem kräftigen, dampfenden Tee. Dann stand er vorsichtig auf und verabschiedete sich. Der Kuß, den Mammuschka ihm auf die Wange drückte, war naß und kräftig. Max wußte nicht, wann er zuletzt so leidenschaftlich von einer Frau geküßt worden war.

27
    Das Krankenhaus hatte seinen ganz eigenen Rhythmus. Mir wurde immer klarer, daß man jemandem, der in der Klinik lag, kein Buch zu schenken brauchte. Eine Flasche Traubensaft vielleicht oder ein Kölsch, aber ein Buch? Wann sollte man denn zum Lesen kommen – beim Blutdruckmessen oder Röntgen? Während des Essens oder beim Duschen? Während der Bettnachbar Besuch hatte oder der Fernseher lief?
    Heute hatte ich selbst Unmengen von Besuch gehabt. Allein drei Schülergruppen waren da gewesen, außerdem zwei Kolleginnen und Alexa, die immer noch unter dem Schock einer Dessousparty gestanden hatte. Schwester Wulfhilde, meine Chefin hatte sich telefonisch gemeldet, genauso wie meine Eltern. So ein Tag im Krankenhaus ging schneller herum,

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