Krank für zwei
doch.«
»Sicher, aber auch als Sekretärin kann man zu seinem Chef ein schlechtes Verhältnis haben oder aber ein gutes. Manche haben sogar ein sehr gutes.«
»Ich arbeite seit einundzwanzig Jahren für Dr. Peuler, und ich glaube, er hatte nie Grund zu klagen.«
»Das ist schön. Das ist sogar phantastisch«, Vedder grinste etwas ironisch. Ganz offensichtlich war er davon überzeugt, daß Hannelore Merz ihren Chef angeschmachtet hatte. »Dann können Sie uns sicher etwas über seine Patienten erzählen.«
»Mein Chef hatte ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Patienten.«
»Das glaube ich. Er war offensichtlich ein sehr umgänglicher Mensch«, Vedder lächelte Frau Merz aufmunternd an. »Trotzdem geht in einem Krankenhaus nicht immer alles glatt. Die Leute werden klagefreudiger. Sie beschweren sich, sind unzufrieden, egal, wie gut sie versorgt worden sind. Kennen Sie solche Fälle im Zusammenhang mit Dr. Peuler?«
»Natürlich hat es im Haus Prozesse gegeben«, Frau Merz, die bislang ganz vorn auf der Kante ihres Fernsehsessels gesessen hatte, rutschte nun ein klein wenig nach hinten. »Aber Dr. Peuler hat keinen einzigen von ihnen verloren.«
»Nun, das wundert uns nicht. Er war schließlich ein guter Arzt.« Max war unsicher, wie lang Vedder seine Geduld noch beibehielt. »Aber gerade, wenn ein Patient einen Prozeß verloren hat, ist er vielleicht besonders zornig. Er fühlt sich ungerecht behandelt, und er möchte dann auf anderem Wege Rache nehmen.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Doch nicht bei Dr. Peuler.«
»Frau Merz, hätten Sie sich vorher vorstellen können, daß Ihr lieber Dr. Peuler irgendwann blutig auf seinem Schreibtisch liegen würde?« Frau Merz schüttelte ängstlich den Kopf. »Sehen Sie«, Jan Vedder lächelte einnehmend. »Manchmal werden wir von der Bosheit der Menschen überrollt. Ich bin Polizist. Ich erlebe das fast täglich. Deshalb müssen wir jedem Hinweis nachgehen, um dem Mörder Ihres Chefs auf die Spur zu kommen. Das ist Ihnen doch wohl klar?«
Frau Merz nickte, genauso stumm und intensiv, wie sie eben den Kopf geschüttelt hatte.
»Also, versuchen Sie sich zu erinnern! Gab es in der letzten Zeit irgendwelchen Ärger? Mit Patienten? Oder von mir aus auch mit anderen Leuten. Bitte erinnern Sie sich!«
»Es gab im Februar einen Zahnprozeß. Aber der richtete sich eher gegen die Anästhesie als gegen Dr. Peuler.«
»Wie meinen?« Vedder konnte seine Liebenswürdigkeit nicht mehr lange aufrechterhalten.
»Nun, ein junger Mann behauptete nach der Operation, zwei Schneidezähne seien bei der Operation lädiert worden. Er wandte sich zunächst an meinen Chef. Der hat die Sache dann aber an die Anästhesie weitergeleitet.«
»Aha, also keine weiteren Vorkommnisse?«
»Eigentlich nicht. Jedenfalls nicht in letzter Zeit.«
»Wann dann?« Vedder mußte an sich halten.
»Ich erinnere mich an einen Fall, der sich vor drei Jahren zutrug. Damals war eine Frau nach einem Sturz eingeliefert worden. Sie war schon etwas älter, so Ende Fünfzig. Ich an ihrer Stelle hätte mich gar nicht mehr in einen Kirschbaum hineingewagt, aber die, nun ja. Auf jeden Fall, ist sie aus über drei Metern Höhe auf den Boden gestürzt. Sie war einen Moment ohnmächtig. Dann hat ihr Mann sie gefunden und in die Klinik gebracht.«
»Und weiter?«
»Die Frau hatte einen Arm gebrochen, der gegipst werden mußte. Nichts Kompliziertes. Außerdem hatte sie sich stark geprellt. Zur Beobachtung sollte die Frau über Nacht im Krankenhaus bleiben. Manchmal kommt es noch nachträglich zu inneren Blutungen, weil die Milz oder ein anderes Organ gerissen ist. Vorher kann man das nicht immer einwandfrei erkennen. Auf jeden Fall muß dann flugs operiert werden, daher diese Vorsichtsmaßnahme.«
»Aha.«
»Jetzt war es aber so, daß die Frau unbedingt nach Hause wollte. Sogar gegen den Willen der Ärzte. Sie meinte, mit einem gebrochenen Arm lege sie sich nicht ins Krankenhaus. Man wolle ja sowieso nur der Krankenkasse das Geld aus der Tasche ziehen. So ein Quatsch. Und dann hat sie unterschrieben.«
»Daß sie auf eigene Gefahr das Krankenhaus verläßt?«
»Genau!«
»Und dann ist exakt das passiert, was sie eben beschrieben haben?«
»Richtig. Die Frau hat innere Blutungen bekommen. Der Ehemann hat zunächst gar nichts bemerkt, weil er ein Schlafmittel genommen hatte. Als der Krankenwagen kam, war die Frau schon nicht mehr am Leben.«
»Aber die Frau hatte unterschrieben. Die Sachlage muß klar
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