Krank (German Edition)
mickrigen Klappstühle waren im Vergleich dazu lächerlich.
»Hat Tanner sein Ziel verfolgt?«, fragte ich. »Hat es diese Schule gegeben?«
»Große Träume und nichts dahinter, so war Zeke. Wer eine Schule gründen will, muss einen Zulassungsantrag stellen. Das ist eine Formalie, mehr nicht. Man braucht weder ein Lehrerexamen noch Berufserfahrung. Es gibt Leute, die weder lesen noch schreiben können und trotzdem in solchen Schulen arbeiten.«
»All das liegt achtzehn Jahre zurück. Meinst du, die Unterlagen existieren noch?«
Sie griff zum Telefon. »Mitarbeiter von Kentuckys Behörden schmeißen nichts weg. Auf der anderen Seite könnte es knifflig werden, die entsprechenden Dokumente zu finden. Oder es dauert Ewigkeiten. Glücklicherweise kenne ich jemanden im öffentlichen Dienst, der mir noch einen Gefallen schuldet. Drück mir die Daumen.«
»Ich fahre zu meiner Hütte. Vielleicht ist Mix-up inzwischen aufgetaucht«, meinte ich. »Drück du mir auch die Daumen.«
Wir hoben zum Abschied die Fäuste.
Kapitel 44
Keine Spur von meinem Hund. Ich versuchte, die Bilder von angefahrenen Tieren, die schwerverletzt elendig im Straßengraben verreckten, zu verdrängen und verschlang einen Schokoriegel. Dass mein Bruder mich hierhergelockt hatte, brachte mich zunehmend mehr auf die Palme. Er hatte sich nach Gesellschaft gesehnt und jemanden gebraucht, der die Polizei davon abhielt, Erkundigungen über ihn einzuziehen. Für seine Selbstsucht hatte ich fast mit dem Leben bezahlt und, schlimmer noch, meinen Hund verloren.
In dem Moment fiel mir wieder ein, wie Jeremy, der Haustiere im Allgemeinen und Hunde im Besonderen hasste, mir gegenüber vor ein paar Tagen ganz beiläufig erwähnt hatte, er hätte mit dem Gedanken gespielt, Mix-up zu vergiften.
In der Abenddämmerung schlich ich durch den Wald zu seiner Hütte hinüber, um ihn in die Zange zu nehmen und zu zwingen, mir die Wahrheit zu sagen. Oder vielleicht wollte ich auch nur, dass dieser verlogene Mistkerl mir einen Grund lieferte, ihm mal ordentlich die Fresse zu polieren. Hin und wieder kommt es vor, dass ich richtig schlechter Laune bin.
Bei meiner Ankunft musste ich feststellen, dass Jeremys Subaru weg war, und warf einen Blick auf meine Uhr: Viertel nach acht. Gelegentlich aß mein Bruder in einem fünf Meilen entfernten Café zu Abend, bevor er sich mit den asiatischen Börsen befasste, die dann gerade ihren neuen Tag eröffneten. Frustriert beschloss ich, mich wieder auf den Heimweg zu machen, blieb jedoch stehen, als mich ein unangenehmer Gedanke beschlich.
Was, wenn Jeremy Mix-up tatsächlich etwas angetan hatte? Ich überlegte, ob mein Bruder meinen Hund irgendwo gefangen hielt, so wie Crayline den hilflosen Jessie Stone eingesperrt hatte.
Verzagt rannte ich durch den dichten Wald zu seinem Garten mit dem manikürten Rasen und den wohlgeordneten Blumenbeeten. Seine Türen und Fenster waren mit Hochsicherheitsschlössern verriegelt, die ich nicht knacken konnte. Ich trat ein paar Schritte zurück und ließ den Blick über die Fenster im zweiten Stock wandern, von denen eins, das zu seinem Büro gehörte, einen Spalt weit offen stand. Kurzentschlossen begab ich mich in den Geräteschuppen, holte eine drei Meter lange Leiter und lehnte sie ans Dach. Ich lauschte kurz, hörte nur die leise im Wind flatternden Blätter der Bäume und den fernen Schrei einer Nachtschwalbe.
Innerhalb einer Minute war ich in Jeremys Büro gestiegen, rannte nach unten, riss die Türen auf und suchte vergeblich nach einem Keller. Offenbar war der Boden für eine Ausschachtung zu hart. Meine Angst und Verzweiflung hatten, wie ich mir eingestehen musste, meinen Geist vernebelt und mich zu diesem unsinnigen Unterfangen verleitet.
Die Computer summten leise, und die Bildschirmschoner waren eingeschaltet. Jeremy hatte geprahlt, seinen Lebensstil mit dem An- und Verkauf von Aktien zu finanzieren, aber er hatte auch behauptet, damit erst nach seiner Ankunft in Kentucky begonnen zu haben. Mein Bruder, der wie gedruckt log, verlor manchmal den Überblick und machte dann widersprüchliche Angaben.
Ich ließ mich auf seinen Stuhl fallen und tippte ein paar Worte ein. Da ich ebenfalls ein kleines Aktienportfolio verwaltete – es war in etwa so viel wert wie ein Kleinwagen, vermittelte mir allerdings das Gefühl, mein Geld für mich arbeiten zu lassen –, kannte ich mich mit Tabellen, Diagrammen und Prognosen aus.
Wie zu erwarten gewesen war, schützte Jeremy seine
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