Krank (German Edition)
Eiswürfel aus der Kirchenküche, gab sie in eine Tüte und drückte sie vorsichtig auf die Schwellung. Mit besorgter Miene und über der Brust verschränkten Armen stand Jeremy neben ihr. Krenkler hockte so dicht vor mir, dass ich nur ihr Gesicht sah.
»Wer war das?«, herrschte sie mich an. »Was haben Sie beobachtet?«
»Ich, ähm …« Das Sprechen fiel mir schwer.
»Los, Ryder, spucken Sie’s aus.«
»Er war, ähm, von schmächtiger Statur, mit braunen Haaren und Augen, denke ich. Eine billige graue Sportjacke … und graue Flanellhosen. Braune Schuhe … vielleicht Hush Puppies.« Ein Anfall von Übelkeit zwang mich, eine Pause einzulegen.
»Ich war draußen und habe eine Zigarette geraucht«, wandte sich ein Mann an Cherry. »Der Typ ist im Wald verschwunden. Nicht gerannt, nur schnell gelaufen.«
Krenkler wandte sich an einen ihrer Mitarbeiter. »Suchen Sie ihn!«
Ich versuchte aufzustehen, doch Cherrys Hände, die auf meinen Schultern lagen, drückten mich nach unten. »Sie warten hier, während wir uns umschauen.«
Krenkler erhob sich, lief Cherry hinterher und blieb dann unvermittelt stehen. Mit halbgeschlossenen Augen musterte sie meinen Bruder.
»Wie heißen Sie?«
»Dr. Auguste Charpentier. Zu Ihren Diensten.«
»Sie verschwinden erst, nachdem wir uns unterhalten haben, verstanden?«
» Certainement .«
Ein paar Minuten später kehrten Cherry und Krenkler mit deren Jungs im Schlepptau zurück. Ich zog fragend eine Augenbraue hoch.
»Hinter der Kirche gibt es eine Baumreihe und weiter östlich ein vier Morgen großes Areal, das irgendeiner Familie gehört. Richtung Westen gelangt man zu einem Restaurant, das seit Jahren geschlossen ist. Ich gehe davon aus, dass unser Mann dort geparkt hat, zu Fuß hierhermarschiert ist, um seinen Baseballschläger zu schwingen, und anschließend zu seinem Wagen zurückgelaufen ist. Niemand hat etwas gesehen. Wie geht es Ihrem Kopf?«
»Er hätte meinen Schädel zu Mus verarbeiten können, aber Burtons Leiche plattzumachen und zu türmen scheint ihm wichtiger gewesen zu sein.«
»In meinem Augen war das ein Mordversuch«, schimpfte Krenkler. »Sie hatten einfach nur Glück.«
Ich versuchte, mich an den Vorfall zu erinnern. »Er hat den Schlag abgebremst und nicht mit voller Wucht zugehauen.«
Krenkler schüttelte den Kopf, als würde ich Unsinn reden. In der Ferne ertönte die Sirene eines Krankenwagens. »Die Sanitäter kommen Ihretwegen, Ryder«, sagte Krenkler. »Danken Sie Gott, dass das kein Leichenwagen ist.«
Mir wurde so schwindelig, dass ich mich nach vorn beugen musste. Krenkler richtete den Blick auf meinen Bruder und musterte ihn vom Scheitel bis zu den Sohlen seiner Florsheims. Anscheinend gefiel ihr, was sie sah, überhaupt nicht.
»Sie und ich werden jetzt ein Pläuschchen halten, Doc. Bin wirklich neugierig, was Sie zu berichten haben.«
*
Ich wurde ins nächstgelegene Krankenhaus gebracht, das überbelegt und unterbesetzt war. Aus diesem Grund schickte man mich ins Wartezimmer, nachdem in einer kurzen Untersuchung festgestellt worden war, dass ich nicht sofort sterben würde. Ich trank Kaffee und schaute alle paar Sekunden auf die Uhr.
Nach einer Weile tauchte Jeremy auf, den ein Woslee-Bulle am Krankenhaus abgesetzt hatte.
»Wie ist es mit Krenkler gelaufen?«, fragte ich leise. »Was hast du ihr erzählt?«
»Dass ich emeritierter Professor bin, der sich auf dysfunktionales Verhalten spezialisiert hat und aus diesem Grund von Miss Cherry und dir gebeten wurde, der Aufbahrung beizuwohnen.«
Seine Antwort beruhigte mich, denn ich hatte schon gefürchtet, dass Krenkler Jeremy während der Unterhaltung von einem ihrer Mitarbeiter überprüfen ließ.
»Und sie hat nicht weiter nachgehakt?«
»Ich habe ihr all meine nichtexistenten Vorzüge aufgetischt, sie angefleht, mich als Berater hinzuzuziehen, und ihr versprochen, ihr Tag und Nacht unentgeltlich zur Verfügung zu stehen.«
»Was?«
Er grinste. »Meine Strategie lieferte das gewünschte Ergebnis: Sie konnte mich gar nicht schnell genug nach Hause schicken. Die Krenklers dieser Welt haben keine Verwendung für Berater, Carson, denn dann müssten sie den Ruhm ja teilen.«
Schließlich wurde meine Beule geröntgt und für unbedenklich befunden. Cherry hatte einen dienstfreien Sanitäter beauftragt, uns nach Hause zu bringen. Auf der Heimfahrt löcherte Jeremy mich wegen Sonny Burtons Schläger und dessen Attacke. Mit seinen Fragen beschwor er Bilder herauf, die ich im
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