Kraut und Rübchen - Landkrimi
die Küche und füllte mir ein Glas aus dem Wasserhahn. Gierig leerte ich es und füllte es zum zweiten Mal. Während ich trank, schaute ich mich um. Im Dämmerlicht, das aus dem Schlafzimmer drang, wirkte die Küche fremd und ungewohnt auf mich. Die Schränke waren nicht so, wie ich sie aus anderen und meiner eigenen Wohnung kannte, Einbauschränke, sondern eine komplette Wand aus Holz, die bis zur Zimmerdecke ging. Sie war in einem hellen Beigeton gestrichen, und die Türen waren so darin eingelassen worden, dass der Eindruck einer Küchenzeile entstand. Hinter den Türen zogen sich Regale durch den Hohlraum zwischen der vorderen und der hinteren Wand, vollgestopft mit Töpfen, Tellern, Blechdosen und Pappkartons, über deren Inhalte ich nur rätseln konnte. Hier wartete eine Menge Arbeit auf mich. Ich warf einen Blick in Hoppenstedts Futternapf. Das Fressen war unangetastet.
Ich schlurfte zurück ins Bett. Wenn er Hunger hatte, würde er schon kommen. Lange hielt er es nie aus, den Beleidigten zu spielen. Erst das Fressen, dann die Eitelkeit. Vor dem Nachttisch bückte ich mich und hob das Tagebuch auf. Die Seite war verschlagen, und automatisch suchte ich die Stelle, an der ich vor wenigen Stunden aufgehört hatte zu lesen.
Am Sonnabend, nur eine Woche nach ihrem Besuch bei mir, wurde ich zum Haus der Mayerhoferin gerufen. Ihre älteste Tochter Grete stand vor mir, blass, dreckverschmiert und mit Tränen in den Augen. Sie bat mich um Hilfe, der Mutter ginge es schlecht.
Ich ging mit ihr und erschrak über das, was ich vorfand. Die linke Wange aufgeplatzt, das Auge darüber zugeschwollen. Die Mayerhoferin wimmerte leise, als ich sie abtastete und mein Ohr an ihre Rippen legte. Die Knochen in ihrem Brustkorb knirschten leise. Mindestens zwei davon waren gebrochen.
»Der Vater hat sie geschlagen«, murmelte Grete mit einer Hilflosigkeit in der Stimme, die mich ahnen ließ, dass auch sie schon zum Opfer der Raserei des Mayerhofers geworden war.
»Hatte er getrunken?« Hastig untersuchte ich die Frau im Bett weiter. Sie hatte Fieber.
Ich konnte nur hoffen, dass keine der Rippen in ihre Lunge eingedrungen war. Ich spürte, wie die Wut in mir hochkroch. Auf den Mann, der seine Frau bis ins Krankenbett schlug, der vor seinen Kindern keinen Halt machte. Die Tür zum Zimmer flog krachend auf.
Das Mädchen zuckte zusammen und duckte sich. Ich drehte mich um. Mayerhofer stand im Raum. Seine breiten Schultern bebten.
»Was tust du hier?«, herrschte er mich an, und ich konnte seinen biergeschwängerten Atem riechen.
»Mich um deine Frau kümmern. Sie ist krank.«
»Sie soll aufstehen und nicht jammern.«
»Wenn sie nicht liegen bleibt und sich ausheilt, wird sie vielleicht nie wieder aufstehen, Mayerhofer.« Ich strich meine Schürze glatt und spürte, wie mein Herz schneller schlug. Er war nicht viel größer als ich, aber er war der Schmied des Dorfes. Seine Arme und Fäuste waren stark wie Hämmer, und was er damit anrichten konnte, sah ich hier vor mir.
»Sie soll mir eine Suppe kochen. Ich habe Hunger«, krakeelte Mayerhofer und ging zum Bett. Er riss die Decke fort, packte seine Frau am Arm und zerrte sie mit einer einzigen Bewegung von ihrem Krankenlager. Sie schrie auf, stöhnte und sackte in sich zusammen.
»Nicht!« Ich stürzte auf ihn zu und fiel ihm in den Arm.
Er hob seine freie Hand, zögerte jedoch, als er mich sah. Er rülpste.
»Ich werde dir eine Suppe machen. Lass deine Frau in Ruhe.« Er knurrte, stieß die Mayerhoferin achtlos wie ein Hemd aufs Bett und drehte sich um.
»Beeil dich, Frau«, sagte er und schwankte aus dem Zimmer.
Ich wandte mich der kranken Frau zu. Betrachtete sie. Er würde sie immer wieder schlagen. Sie war nichts wert in seinen Augen. Diente ihm als Köchin, Hausdienerin und zur Befriedigung seiner körperlichen Lüste. Er würde nicht ablassen von ihr, denn sie war seine Frau. Sein Eigentum.
Behutsam zog ich die Decke über ihren geschundenen Körper. Sie zitterte. Auf ihrer Stirn standen Schweißperlen. Über ihre Wangen, die unter den Wunden noch Reste ihrer ursprünglichen Reinheit bewahrt hatten, liefen Tränen.
Ich strich ihr über die verschwitzten Haare. Mein Entschluss stand fest.
»Keine Angst, Mayerhoferin. Er wird dir nichts mehr tun. Dich nicht mehr quälen.« Sie sah mich an. Stumm. Aber ich erkannte die Dankbarkeit in ihrem Blick.
»Möge ein guter Segen auf diesem Mahl liegen«, sagte ich eine Weile später und hievte den Kessel mit der dampfenden
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