Kraut und Rübchen - Landkrimi
»Ich suche mir stattdessen ein Versteck, das keines ist, weil es sozusagen vor aller Augen ist.«
»Hmm«, murmelte ich. Ich verstand, was sie sagen wollte, und wusste, wo sie fündig geworden war.
»Und deshalb hat es ein bisschen gedauert, bis ich das Buch gefunden habe.«
»In der Vitrine. Auf dem unteren Regal.«
»Genau.« Sie nickte und holte tief Luft, um zu weiteren Erklärungen anzusetzen, stoppte aber mitten in der Bewegung und sah mich an. »Sie wussten es doch.«
»Nein. Aber ich habe das Regal gesehen und mich gefragt, was da hätte liegen können. Das Buch passt in Form und Größe genau auf die staubfreie Stelle. Und die Vitrine ist so ein offensichtlicher Platz für wertvolle Dinge, dass man da nicht direkt nachschaut.« Ein rasselndes Geräusch erklang von unten herauf. Einmal, kurze Pause. Ein zweites Mal.
»Das ist die Türklingel«, erklärte Mila, vermutlich als Reaktion auf mein verwundertes Gesicht.
Ich stand auf, griff nach einem Bademantel, der innen an der Zimmertür hing, und zog ihn an.
»Das hat Marion auch immer gemacht.«
»Was?«
»Im Bademantel gefrühstückt.« Sie sah mich von unten herauf an und lächelte. »Jetzt sehen Sie aus wie sie.«
Ich hielt einen Moment inne, strich über den weichen Frotteestoff und fühlte mich auf eine freundliche Art geschmeichelt. Dann klemmte ich das Buch unter den Arm, ging nach unten zur Tür und öffnete sie. Mila folgte mir. Draußen standen ein Mann und eine Frau.
»Jens Schröder, Kriminalpolizei«, stellte der Mann sich vor. »Und das ist meine Kollegin Andrea Hallschlag. Wir möchten Ihnen gern ein paar Fragen stellen. Dürfen wir reinkommen?«
»Wegen des Einbruchs gestern Abend? Natürlich.« Ich gab den Weg frei. »Kann ich mir nur rasch etwas anziehen?« Jens Schröder sah seine Kollegin fragend an.
»Von einem Einbruch weiß ich nichts«, sagte die und ergänzte: »Wir sind hier, um mit Ihnen über Ihre Tante zu sprechen. Es gibt Fragen zu einem noch ungeklärten Todesfall.«
Waldmeister , Galium odoratum – wächst in schattigen Laubwäldern. Über seinen quirligen Blättern stehen kleine weiße Trichterblüten. Beim Trocknen wird die Pflanze schwarz. Wirksam gegen Migräne, unregelmäßige Herztätigkeit und bei Neuralgien.
Sieben
»Und wer sind Sie?«, fragte der Polizist Mila, als wir schließlich in der Küche saßen. Ich hatte mir nur schnell die Klamotten vom gestrigen Tag übergeworfen und es gerade so geschafft, meine Haare in einen Zopf zu zwingen. Jetzt dampfte der Kaffee in zwei Tassen, die Mila vor mir und sich selbst abgestellt hatte. Die Polizisten hatten das Angebot dankend abgelehnt.
»Ich bin die Nachbarin.« Mila legte ihre Hände um die Tasse und blies hinein. Über den Rand hinweg blickte sie die Polizisten mit ausdrucksloser Miene an.
»Unsere Fragen beziehen sich auf Frau Rübchens Tante.« Jens Schröder räusperte sich. »Ich muss Sie also bitten, uns allein zu lassen.«
»Frau Seidenmacher kennt meine Tante besser als ich. Sie waren befreundet«, warf ich ein, obwohl ich mich nicht hundertprozentig gut fühlte bei dem Gedanken, Mila mit in eine Sache hineinzuziehen, von der ich selbst noch nicht einmal wusste, wie weit sie ging. »Ich bin erst seit gestern hier und hatte lange keinen intensiven Kontakt zu meiner Tante.«
Jens Schröder rückte seinen Stuhl näher an den Tisch und nickte. »Wie Sie meinen.« Er schaute zu Andrea Hallschlag hinüber, die aus ihrem Rucksack einige Papiere nahm und sie vor sich ausbreitete, wobei sie darauf achtete, dass Mila und ich nicht sehen konnten, was darauf stand.
»Es geht um den Tod eines Mannes, dessen Frau eine Patientin Ihrer Tante war. Sie hatte ihr Medikamente gegeben«, sagte sie.
»Meine Tante war keine Ärztin. Sie hatte weder Patienten, noch hat sie Medikamente verschrieben.«
»Marion hat Pflanzenmischungen hergestellt, die der Unterstützung der jeweiligen natürlichen Heilungsprozesse dienen sollten«, warf Mila ein.
»Gibt es so etwas wie Krankenakten?« Jens Schröder tippte mit seinem Kugelschreiber auf die vor ihm liegenden Blätter.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich und wandte mich hilfesuchend an Mila. Die stand auf.
»Wie hieß die Frau?«
»Wo sind die Akten? Wir möchten lieber selbst nachschauen.« Schröder erhob sich ebenfalls. »Wenn Sie erlauben, Frau Rübchen.«
Ich nickte. Was sollte ich mich seiner Bitte auch verweigern? Vermutlich brauchte er eigentlich einen Durchsuchungsbeschluss oder etwas Ähnliches, aber da
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