Kraut und Rübchen - Landkrimi
ich nicht vom Fach war und meine Kenntnisse über polizeiliche Ermittlungsarbeit ausschließlich auf Fernsehkrimis und mörderische Vorabendserien beschränkt waren, ließ ich ihn und Andrea Hallschlag hinter Mila die Treppe hinaufsteigen. Ich hatte nichts zu verbergen. Was Marion gemacht hatte, wusste ich nicht, und es hatte auch keine Konsequenzen mehr. Ich lehnte mich gegen die Anrichte im Flur. Etwas schabte über den Boden. Ich sah nach unten. Aus Versehen hatte ich Herrn Hoppenstedts Fressnapf unter das Möbelstück geschoben. Ich bückte mich und zog ihn wieder hervor. Das Futter darin war angetrocknet und unberührt. Ich ging auf alle viere und spähte unter die Anrichte, konnte aber keinen Kater sehen.
»Mist«, fluchte ich laut, stand auf und ging ins Wohnzimmer. Auch hier keine Spur von Herrn Hoppenstedt. Keine Pfotenabdrücke oder Liegestellen auf den Sofakissen. Keine zerfetzten Papiere neben dem Abfalleimer.
Ich griff mit beiden Händen hinter die Bücherreihen. Vielleicht hatte er sich dort versteckt.
»Herr Hoppenstedt«, rief ich laut und machte mir Vorwürfe, dass ich nicht sofort heute Morgen nach ihm gesucht hatte. Wer weiß, wo er steckte. Vielleicht hatte er sich verstiegen und klemmte irgendwo fest. Schreckliche Bilder von strangulierten Katzen in Kippfenstern kamen mir in den Sinn, und ich schloss die Augen. »Nein, Katharina, du hast kein Fenster gekippt. Du achtest immer darauf, weil du weißt, wie gefährlich das ist. Herr Hoppenstedt ist bestimmt irgendwo in Sicherheit und lacht sich in die Pfote«, redete ich beruhigend auf mich ein.
»Mit wem sprechen Sie, Frau Rübchen?« Der Polizist stand hinter mir. Ich fuhr herum.
»Mit mir selbst. Ich spreche öfter mit mir selbst«, gab ich zur Antwort und wurde rot, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Ich hasste es, wenn man mich bei meinen Selbstgesprächen erwischte. Die Leute erwarteten so etwas von älteren schrulligen Damen. Nicht von einer Journalistin Anfang dreißig.
»Wir nehmen das hier mit.« Jens Schröder hielt mir eine dünne Kladde unter die Nase. »Sobald wir neue Erkenntnisse haben, melden wir uns bei Ihnen.«
»Worum geht es überhaupt, und was hatte meine Tante damit zu tun?« Meine Neugierde war geweckt.
»Ich darf Ihnen keine Einzelheiten mitteilen.«
»Aber Sie verdächtigen meine Tante«, schoss ich eine Nebelbombe ab.
»Es geht hier nicht um Verdächtigungen, sondern um Sachverhalte, die wir klären müssen. Der Tote ist an einer Überdosis eines Wirkstoffes gestorben, den seine Frau vermutlich von Ihrer Tante erhalten hat.«
»Meine Tante kann doch nichts dafür, wenn der Mann aus Versehen die Sachen seiner Frau …«, warf ich ein, aber er unterbrach mich.
»Frau Rübchen. Herauszufinden, wer für was etwas kann und was für wen gemacht oder wem was gegeben wurde und mit welcher Absicht, das ist unsere Aufgabe. Nicht Ihre.« Er klemmte sich die Kladde unter den Arm, und mir fiel das Tagebuch wieder ein. Ich hatte es oben auf den Nachttisch gelegt. »Wir danken Ihnen jedenfalls für Ihre Kooperationsbereitschaft und halten Sie gegebenenfalls auf dem Laufenden.«
Er schob sich durch den Eingangsflur nach draußen. Seine Kollegin folgte ihm wie ein Schatten. Sie hatte sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten, fiel mir auf. War es heute etwa auch bei der Polizei immer noch so, dass die Männer das Sagen hatten und die Damen sich brav zurückhielten? Oder hatte Andrea Hallschlag eine andere, für Unbeteiligte wie mich nicht ganz so offensichtliche Aufgabe? Psychologische Beobachterin? Hatte sie meine und Mila Seidenmachers Reaktionen beobachtet, weil sie vermutete, dass wir, bei was auch immer, unter einer Decke steckten? Eine Dorfverschwörung. Ich grinste in mich hinein, zog mit einem Ruck den Saum meines T-Shirts nach unten und schloss die Tür hinter den beiden. Das Loch in der Flurwand klaffte mich vorwurfsvoll an. Ich seufzte. Eines nach dem anderen. Erst Herr Hoppenstedt, dann so etwas wie Frühstück. Die Ziegen fielen mir ein, und Björn. Ich musste den Artikel schreiben. Irgendetwas musste ich schließlich essen. Einkaufen wäre keine schlechte Idee. So viel zu tun. Ich blieb reglos stehen. Völlig gleichgültig war mir die Sache mit Marion und der Polizei doch nicht. Auch wenn Marion tot war und ihr niemand mehr etwas anhaben konnte, ihrem Ruf würden derartige Ermittlungen sicher schaden. Und sie konnte sich nicht mehr dagegen wehren.
In der Küche klapperte Geschirr. Ich ging zurück und
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