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Kraut und Rübchen - Landkrimi

Kraut und Rübchen - Landkrimi

Titel: Kraut und Rübchen - Landkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Jane und Rita«, murmelte ich und kraulte die rote Rita hinter den Ohren, bis mir einfiel, dass ich das ja nicht machen sollte. Zumindest nicht bei Ludwig. Ob das in ähnlicher Form auch für die Ziegen galt, war mir jetzt nicht klar. Misstrauisch schnupperte ich an meinen Fingern. Eindeutig Ziege, aber erträglich.
    Dass Marion die alten Hollywood-Schinken liebte, hatte sie mir irgendwann einmal verschämt gestanden. Und bis heute konnte ich diese Diven in den schimmernden und schillernden Kleidern, behangen mit Glitzer und Schmuck, nicht mit meiner herzlichen und rustikal gekleideten Tante in Verbindung bringen. Strohhut anstatt Diadem, Latzhose anstatt Abendkleid, Gummistiefel anstatt High Heels. Aber vielleicht war es gerade diese Andersartigkeit gewesen, die sie in ihren Bann gezogen hatte. Die Ziegen nach berühmten Filmschauspielerinnen zu benennen passte hingegen wieder wunderbar zu ihrer selbstironischen Art.
    Marylin, die weiße Ziege, hörte auf zu fressen und sah mich an. Ich lächelte zurück.
    »Zwischen Stall und Steno«, murmelte ich. »Das wär doch eine feine Überschrift für meinen Artikel, oder was meinst du, Marylin?« Marylin meinte nichts, sondern wandte sich wieder den Blättern zu. »Du hast recht. Es ist noch nicht gut. Klingt zu sehr nach Sekretärin.« Ich strich ihr noch mal über den Kopf, verließ den Stall und machte mich auf die Suche nach Herrn Hoppenstedt.
    Der Cursor blinkte und hypnotisierte meinen Blick. Manchmal half dieser tranceartige Zustand, Ideen zu den Texten zu sammeln, um sie niederschreiben zu können. Diesmal funktionierte es nicht. Ich bekam den Kopf nicht frei. Herr Hoppenstedt blieb verschwunden. Ich hatte das Haus von oben bis unten durchkämmt, jedes Fenster, jede Schublade und jedes mögliche Versteck kontrolliert, auf das ich gestoßen war. Nichts. Ich tröstete mich damit, dass in diesem Haus aus Katzenperspektive sicher noch einige Ecken waren, die sich hervorragend zum Verkriechen eigneten. Oder er war doch ausgebüxt. Ich ging auf den Hof und schaute mich um. Ein Katzenparadies. Ihn hier zu finden war hoffnungslos. Ich rief ihn. Nichts. Wieder im Haus, blinkte der Cursor immer noch auf der weißen Seite und paralysierte mich. Ich schaffte es nicht, mich zu konzentrieren, und ärgerte mich sehr darüber. Je mehr ich mich ärgerte, umso weniger Platz blieb in meinen Gedanken für einen netten Artikelbeginn. »Wenn der Ziegenbock dreimal meckert – mein neues Leben auf dem Land.« Nein! Totaler Quatsch. Weg damit. »Zurück zu den Wurzeln – das moderne Kräuterweib.« Noch schlimmer. Löschen. »Spinnenbein und Krötendreck – Eine Journalistin packt’s an.«
    Ich schob den Laptop weg und ließ meine Stirn auf den Tisch sinken. Wenn ich selbst die Sache nicht ernst nahm, wie sollten unsere Leser das dann schaffen?
    »Reiß dich am Riemen, Katharina«, befahl ich mir streng.
    »Die Heilkraft des Landlebens.« Hmm. Schon besser, aber immer noch todlangweilig. Vielleicht sollte ich es anders angehen. »Wenn Sie mich vor einem Jahr gefragt hätten, wo ich mich heute sehen würde, wäre meine Antwort bestimmt nicht gewesen: auf einem alten Gutshof inmitten von Kräutern.«
    Der erste Satz war immer wichtig. Aber der hier gefiel mir nicht. Mir gefiel nichts von dem, was da an Satzfetzen durch meinen Kopf wanderte. Unzufrieden lehnte ich mich zurück.
    Das Tagebuch lag auf der Küchenanrichte. Ich klappte den Laptop zu.
    Sie stand am Eingangstor des Hofes und rührte sich nicht. Griff mit beiden Händen in die Falten ihres Rockes, knetete den Stoff, bevor sie ihn wieder fallen ließ und ihre Handflächen daran rieb. Ich beobachtete sie aus den Augenwinkeln, während ich Zuber um Zuber aus dem Brunnen schöpfte und das Wasser zum Haus trug. Heute sollten alle in den Genuss eines Bades kommen, Agnes, der Kleine und ich. Es dauerte, bis das Wasser im Kessel heiß geworden war und wir es in den Bottich schütten konnten. Die Kräuter, die wir in das Wasser geben wollten, lagen schon in der Kammer bereit, Ackerschachtelhalm, Arnika und einige getrocknete Blüten der Ringelblume, ein Sud aus Birkenblättern. Sehr früh am Morgen hatte ich sie gesammelt und vorbereitet. Johannes, Agnes’ Sohn, litt unter starker Juckflechte, und die Kräuter halfen, seine Haut zu beruhigen. Ich zog den letzten Zuber über die Winde nach oben. Das Wasser schwappte über den Rand und durchnässte meine Schuhe.
    »Was möchtest du?«, fragte ich in ihre Richtung, ohne sie anzusehen.

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