Kraut und Rübchen - Landkrimi
behauptete.
Alex hatte Bücher. Eine Menge. Die Regale bedeckten eine ganze Wand. Bücher quollen aus den Regalen und breiteten sich in Stapeln im Raum aus. Ich erkannte dicke Fachbücher aufgeschlagen auf Romanen liegend, aus denen die Zipfel der Lesezeichen schauten. Passt, dachte ich mir und sah meine eigenen Bücherberge vor mir. Es würde eine furchtbare Schlepperei werden, wenn ich sie aus meiner Stadtwohnung nach Kleinhaulmbach holen würde. Ich strich meine Haare aus dem Gesicht. Noch ein paar Stunden Schlaf wären keine schlechte Idee.
Ich stand auf und reckte mich. Ein Krächzen drang aus dem Flur. Ich stutzte. Alex’ Praxisräume grenzten direkt an seine Wohnung. Er hatte mit Sicherheit Tiere zur Obhut dort. Ich ging durch den Flur. Wieder dieses Geräusch. Ein Maunzen. Heiser und rau.
Ich blieb stehen. Das konnte doch nicht sein. Sicher täuschte ich mich. Wie sollte denn …
Ich folgte dem Maunzen und drückte eine angelehnte Tür auf.
Ein Raum mit breiten Regalen. Käfige in unterschiedlichen Größen reihten sich darin aneinander. Ein Kaninchen schaute mich mit großen Augen an, um den Hals eine Krause aus Kunststoff. Ein roter Kater hob schläfrig die Lider. Seine Augen reflektierten das Licht. Seinen rasierten Bauch zierte ein breites Pflaster, und ich erkannte einen Tropf, der zu seiner rechten Pfote führte.
Wieder maunzte es. Ich fuhr herum.
»Herr Hoppenstedt!« Ich unterdrückte einen Aufschrei. Was zum Teufel machte er hier in Alex’ Praxis? Der Kater presste sich an die Gitterstäbe und schnurrte laut. Ich löste das Schloss an seinem Käfig, und sofort sprang er in meine Arme. Ich drückte meine Nase in sein Fell.
Erst jetzt erkannte ich den Verband um seine Pfote. Herr Hoppenstedt war verletzt, aber wie es schien nicht allzu schwer. Wieso? Was war passiert? Und wieso hatte Alex mir nichts gesagt? Ich verstand das nicht.
War doch alles nur vorgespielt? Wenn er mir verschwieg, dass er meinen Kater in seiner Praxis hatte, was hatte er mir dann noch alles nicht gesagt? War das, was er mir erzählt hatte, überhaupt wahr?
Etwas, das sich im ersten Moment wie Enttäuschung und erst im zweiten, viel schmerzhafteren, wie eine große schwarze Masse anfühlte, machte sich in mir breit. Spielte er nur eine vorbestimmte Rolle in einem inszenierten Stück? »Weil ich nicht einfach die ganze Sache gefährde, nur weil mir ein paar Hormone querschießen …« Für die Sache musste man Opfer bringen. Wie praktisch, wenn man das mit den querschießenden Hormonen in einem erledigen konnte.
Wütend schnappte ich mir einen der herumstehenden Katzenkörbe und packte Herrn Hoppenstedt so schnell hinein, dass er vor lauter Überraschung vergaß, sich zu wehren. Im Wohnzimmer sammelte ich meine Klamotten auf und zog mich an. Meine Schuhe waren unter das Sofa gerutscht. Ich zerrte sie hervor.
Draußen vor der Tür sog ich die kalte Nachtluft in meine Lungen. Herr Hoppenstedt protestierte lautstark. Ich klemmte den Transporter auf den Gepäckträger und schob Rad und Kater zu Marions Hof, den ich vor ein paar Stunden noch als mein neues Zuhause bezeichnet hatte.
Das Buch wartete auf mich. Ich brauchte Ablenkung, sonst würde ich nie schlafen können.
Katharina kam im darauffolgenden Februar zur Welt. Es zerriss mich, und ich dachte mehr als einmal zu sterben. Bis die Wehen einsetzten, hatte ich im Stall gearbeitet, die Kühe gemolken und Futter für die Ziegen bereitet. Erst als der stechende Schmerz in meinem Leib mich zu Boden zwang, war ich in die Kammer gegangen und hatte Bescheid gegeben. Die Geburt zog sich über einen Tag, eine Nacht und einen weiteren Tag. Agnes wich nicht von meiner Seite, die Hebamme des Nachbardorfes kam, versuchte zu lindern und zu unterstützen. Sie bediente sich an meinen Kräutervorräten und war voll des Lobes über deren Auswahl und Aufbewahrung. In den Pausen zwischen den Wehen erklärten wir einander unser Wissen, so lange, bis mir die Geburt keine Atempause mehr ließ und ich alle Kraft brauchte, um das neue Leben in die Welt zu pressen.
Ich verlor viel Blut und konnte das Kind kaum halten, als die Hebamme es mir schließlich an die Brust legte. Dann stand sie auf, verließ den Raum und kam mit einer Schüssel wieder, die sie randvoll mit Schnee gefüllt hatte. Sie schob den Stoff meines Hemdes hoch, nahm zwei Hände voll Schnee und formte eine kleine flache Scheibe daraus, die sie mir auf den Unterleib legte. Ich zuckte zusammen. Die Kälte drang bis in mein
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