KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)
Alltag einen sofesten Platz erobert, dass auch ich ihn hier verwende. Gemeint sind in Wirklichkeit Programme, bei denen vollkommen gesunde Menschen ohne jeden Anfangsverdacht auf eine Krebserkrankung in großem Maßstab regelmäßig untersucht werden. Man möchte unter den vielen Gesunden die eine oder andere im Entstehen begriffene Krebserkrankung so früh wie möglich herausfinden.
Die ungeliebte Darmspiegelung – tabuisiert, umständlich, aussagekräftig
Die Darmspiegelung mit Hilfe eines Endoskops (Rekto-Koloskopie) ermöglicht dem Arzt den direkten und unverstellten Blick ins Gedärm. 24 Die Darmspiegelung wird nicht nur als diagnostischer Back-Up bei verdächtigem Hämoccult-Test eingesetzt. Viele Krebsmediziner setzen inzwischen auch große Hoffnung auf die Endoskopie als direkte und eigenständige Methode zur Früherkennung von Darmkrebs. Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen fünf und acht von zehn Darmkrebstodesfällen vermeidbar wären, wenn sich alle Menschen ab dem 50. oder 55. Lebensjahr einem endoskopischen Vorsorgeprogramm unterziehen würden. Obwohl seit der Einführung des kostenlosen Angebots zur endoskopischen Darmkrebs-Vorsorge durch die Krankenkassen über zehn Jahre vergangen sind, sind wir noch weit von der flächendeckenden Nutzung dieser Vorsorge entfernt. Das mag auch daran liegen, dass Darmerkrankungen immer noch stärker tabuisiert werden als andere Krankheiten.
Die begrenzte Akzeptanz
der Vorsorge-Darmspiegelung ist aber auch dem Aufwand der Untersuchung geschuldet. Um vernünftige Ergebnisse zu erhalten, muss der Darm mit Abführmitteln vollständig entleert werden. Das Einführen des immerhin 2 Meter langen Untersuchungsschlauchs ist unangenehm, mitunter auch schmerzhaft. In der Regel wird vorher ein starkes Beruhigungsmittel verabreicht, um die entsprechenden Manöver und Manipulationen im Darm erträglich zu machen.
Mit Hilfe des Endoskops kann der gesamte Enddarm und der Dickdarm biszum Übergang auf den untersten Abschnitt des Dünndarms in Augenschein genommen werden. Eine solche Untersuchung dauert in den Händen eines erfahrenen Untersuchers knapp eine halbe Stunde. Verdächtige Schleimhautveränderungen oder Polypen können ad hoc mit einer Zange oder einer Schlinge entfernt und das Gewebe dem Pathologen zur Untersuchung zugesandt werden. 25 So gesehen gibt es bei der Koloskopie praktisch keine falschpositiven Befunde. Allerdings werden sicher auch viele potentielle Vorstufen von Krebserkrankungen entdeckt, die sich im Laufe eines normalen Menschenlebens nie zu einem bösartigen Tumor entwickelt hätten. Und da der Darm andererseits lang und verwinkelt ist, können kleine Veränderungen durchaus auch einmal übersehen werden. Eine hundertprozentige Garantie für einen tumorfreien Darm liefert auch diese Untersuchung nicht.
Eine solche Entscheidung setzt den mündigen Patienten voraus. Sie kann nur nach unverzerrter Aufklärung über alle Vor- und Nachteile getroffen werden. Nur der Betroffene selbst kann Bilanz ziehen, da die Waagschalen Pro und Contra mit subjektiv zu gewichtenden Argumenten angefüllt sind.
Wir wissen, dass die Darmspiegelung neben allen Unannehmlichkeiten auch ein reale, wenn auch äußerst geringe Gefahr für Leib und Leben birgt. Bei der Untersuchung und vor allem bei der Gewebeentnahme kann die Darmwand verletzt werden. Blutungen können entstehen; im schlimmsten Fall kann die Darmwand bei der Manipulation sogar perforiert werden. Leider gibt es bisher kaum große systematische Untersuchungen, die die Gefahren durch solche Verletzungen und den Nutzen der Vorsorge durch eine Verringerung der Krebssterblichkeit direkt gegeneinander aufrechnen. Was wir kennen, sind die allgemeinen Komplikationsraten einer Endoskopie des Darms. Diese Angaben schwanken allerdings stark. Sie liegen zwischen einer Komplikation auf 150 und einer auf 3000 Untersuchungen. Bei etwa der Hälfte der Patienten war die Komplikation mit einem Krankenhausaufenthalt verbunden. Die starke Schwankung dieser Angaben spiegelt zum Teil die Erfahrung des Untersuchers wieder. Sie hängt aber vor allem davon ab, welche Art von Patienten untersucht wird. Bei Menschen mit Vorerkrankungen des Darms oder Menschen nach Bauchoperationen ist die Gefahr von Verletzungen deutlich höher als bei einem Kollektiv von Darmgesunden. Lebensgefährliche Verletzungen oder gar Todesfälle durch die Endoskopie kommen glücklicherweise nur ganz selten vor. Insgesamt verwässern aber solche Gefahren die
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