KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)
Entdeckung der Antikörper war der erste Schritt auf dem langen Wege zur Enträtselung der Funktionsweise des adaptiven Immunsystems.
Manche Bakterien verdanken einen erheblichen Teil ihrer Gefährlichkeit der Produktion von Eiweißen, die für den Menschen hochgiftig sind. Vor allem Vertreter der Familie der Clostridien und der Corynebakterien sind dafür berüchtigt, solche giftigen Eiweiße wie das Diphtherie-Toxin, das Tetanus-Toxin oder das Botulinus-Toxin zu produzieren, die bereits in geringen Mengen lebensbedrohliche Wirkungen haben können. Über die Jahrhunderte forderten Wundinfektionen mit diesen Erregern unter Verletzten entsetzlich viele Todesopfer. Oft starben mehr Menschen an den Folgen der Wundinfektion als an den unmittelbaren Auswirkungen der Verletzung selbst.
Der junge Oberarzt Emil Adolf von Behring
(1854–1917) kannte die Verwüstungen, die Wundinfektionen mit Toxin-bildenden Erregern anrichten konnten, nur allzu gut. Er war lange Zeit Assistent bei dem berühmtem Bakteriologen Robert Koch gewesen und ausgebildeter Militärarzt. Zu Behrings Zeit lag die Entdeckung der Antibiotika noch in ferner Zukunft. Er und seine Kollegen waren weitgehend hilflos gegenüber solchen furchtbaren Infektionen.
Wirksame Medikamente gab es nicht. Daher suchte Behring nach anderen Wegen der Therapie. Zusammen mit dem Japaner Shibasaburo Kitasato veröffentlichte er im Jahr 1890 einen Aufsatz mit dem Titel »Über das Zustandekommen der Diphtherieimmunität und der Tetanusimmunität bei Tieren«.Hinter dieser unspektakulären Überschrift verbarg sich eine ziemlich revolutionäre Idee. Behring und Kitasato injizierten Versuchstieren chemisch inaktivierte Bakterien-Toxine und stellten fest, dass die Tiere dadurch gegen eine Re-Injektion mit Bakterien, die den aktiven Giftstoff produzieren, geschützt waren. Die eigentliche Sensation war, dass sich andere Tiere durch Transfusion von Seren 18 der »immunisierten« Tiere gegen eine Vergiftung schützen ließen.
Diese Entdeckung machte Behring Mut.
Ende 1891 gelang es ihm sogar, zwei an Diphtherie erkrankte Kinder mit einem aus dem Blut von geimpften Schafen gewonnenen Antiserum erfolgreich zu behandeln. 1901 erhielt Behring für diese Entdeckung den ersten Nobelpreis für Medizin und den Adelstitel.
Die Konfrontation mit Bakterien-Toxinen, auch in einer abgeschwächten, harmlosen Form, veranlasst den Körper zu Gegenmaßnahmen. Diese Gegenreaktion schien auf löslichen Stoffen zu beruhen, die ins Serum abgegeben werden und daher auch in andere Individuen transfundiert werden konnten. Wie diese geheimnisvollen Stoffe aussahen, wie sie entstehen und wer sie produziert, das sollten die Pioniere der Serum-Therapie allerdings nie erfahren. Den B-Zellen und ihren Funktionen kam die Immunologie erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf die Spur.
Nach ihrer Reifung im Knochenmark wandern die B-Zellen aus und patrouillieren durch den Körper, um sich in Nischen wie den Lymphknoten oder den Schleimhäuten anzusiedeln, also dort, wo die entscheidenden immunologischen Auseinandersetzungen zu erwarten sind. Das B-Zell-Repertoire macht dabei ähnliche Erziehungsprozesse durch wie das Repertoire der T-Zellen. B-Zellen, die körpereigene Antigene erkennen, sterben dabei ab.
Die Wirkung der Behring’schen »Serumtherapie« ist den Antikörpern zu verdanken, der löslichen, aktiv ins Serum abgegebenen Form der B-Zell-Rezeptoren. Die Produktion solcher Antikörper ist die Folge einer Immunreaktion von B-Lymphozyten. Die Oberfläche der B-Zellen ist gespickt mit der membranständigen Variante des Antikörpers, dem B-Zell-Rezeptor. Auch die Unterscheidung zwischen Freund und Feind ist das Ergebnis einer Negativ-Selektion. Die Zahl der unterschiedlichen B-Zell-Rezeptoren und Antikörper ist so groß, dass sie praktisch jede denkbare Eiweißkonfiguration antizipieren könnte. Es findet sich daher immer eine Handvoll Klone, deren Rezeptoren gut auf das betreffende fremde Protein passen. Diejenigen B-Zellen, die Antikörper und B-Zell-Rezeptoren produzieren, die eigene Eiweiße erkennen, werden im Laufe der Reifung des Repertoires aussortiert.
Anders als die T-Zell-Rezeptoren erkennen B-Zell-Rezeptoren und Antikörper fremde Eiweiße in Gänze. Entscheidend für die Erkennung ist hier vor allem dessen dreidimensionale Gestalt des fremden Eiweisses, seine sogenannte Tertiärstruktur. Als Antigene werden zunächst einmal alle Moleküle bezeichnet, deren Gestalt von einem
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