KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)
MHC-Komplex und körpereigenem Peptid hingezogen fühlen. Solche Zell-Klone würden die gesunden Zellen des eigenen Körpers attackieren. Sie opfern sich daher zum Wohle des großen Ganzen selbst. Übrig bleiben nur die T-Zellen, deren Rezeptoren die MHC-Komplexe ihrer Umgebung erkennen und die gleichzeitig nicht oder nur schwach an körpereigene Peptide binden. Sie erhalten vom Thymus die Lizenz zu wachsen und zu expandieren.
Nach dieser Zeit der Erziehung verlässt die Armada zytotoxischer T-Zellen den Thymus und patrouilliert durch den Körper. Sie zirkuliert im Blutkreislauf und besiedelt die Lymphknoten oder die Schleimhäute des MALT-Systems, um nach Zellen zu fahnden, die von Krankheitserregern befallen sein könnten. Wenn Zellen unseres Körpers von einem Virus infiziert werden,tauchen Bruchstücke der Virus-Proteine an der Oberfläche der befallenen Zellen auf.
Trifft eine zytotoxische T-Zelle mit einem passenden Rezeptor auf die infizierte Zelle, dann bindet sie an diese spezifische Kombination aus MHC-Komplex und Virus-Peptid und wird durch diese Bindung aktiviert. Je passgenauer der Rezeptor und je stärker die Verbindung zwischen dem T-Zell-Rezeptor, dem MHC-Komplex und dem Peptid-Antigen des Virus, desto wirksamer ist das Signal zur Aktivierung. Genau wie die NK-Zellen greifen aktivierte T-Zellen die enttarnten Zellen an und versuchen sie abzutöten. Sie schleusen in kleine Tröpfchen (Granula) verpackte toxische Enzyme in die Zelle, die dort innerhalb von 2 bis 6 Stunden den Zelltod auslösen.
Mit der Attacke auf die infizierte Zelle
ist Arbeit der zytotoxischen T-Zelle allerdings nicht getan. Die Aktivierung ist nicht nur das Zeichen zum Angriff. Sie ist auch das Signal an die Zelle, sich zu teilen und Tochterzellen zu bilden. So entsteht rasch eine große Zahl von T-Zell-Klonen, 16 deren Rezeptoren auf die Erkennung der aktuellen Infektion spezialisiert sind. Ein Teil dieser Armada bleibt auch nach dem Verschwinden der akuten Infektion erhalten. Diese spezialisierten, präformierten Nachkommen der aktivierten T-Zellen können bei einer erneuten Begegnung mit demselben Erreger aus dem Stand aktiv werden und im Idealfall eine Re-Infektion im Keim ersticken, bevor der Körper irgendwelche Symptome der Erkrankung spürt. So entwickelt das adaptive Immunsystem nach und nach ein Gedächtnis. Diese Fähigkeit zur Erinnerung ist eine ganz entscheidende Errungenschaft der Evolution, weil sie im Laufe eines Lebens zu einer natürlichen Immunität gegen viele Erreger führt. Sie ist außerdem die Voraussetzung für jede Art von aktiver Impfung.
Das bisher gezeichnete Bild des adaptiven Immunsystems ist unvollständig. Ein Großteil potentieller Krankheitserreger, vor allem die meisten Bakterien, ist nicht auf die Vervielfältigungsapparatur der Körperzellen angewiesen. Sie dringen daher gar nicht ins Zellinnere ein, sondern sie vermehren sich außerhalb der Zellen in Blut oder Gewebe. Für solche Erreger ist vor allem die zweite große Gruppe von Lymphozyten zuständig, die B-Lymphozyten oder auch einfach B-Zellen. In unserem Körper zirkulieren viele Millionen unterschiedlicher B-Zell-Klone. Wie bei den T-Zellen verfügt jeder Klon von B-Zellen über einen eigenen, individuellen Rezeptor zur Erkennung von potentiellen Krankheitserregern.
Während die T-Zell-Armada im Thymus geformt wird, wächst das großeHeer der B-Zell-Klone bereits im Knochenmark heran. 17 Die Vielfalt dieses Repertoires entsteht auf ähnliche Weise wie die Unmenge an verschiedenen T-Zell-Rezeptoren. Wie bei den T-Zellen wird auch hier nach dem Baukastenprinzip ein Vertreter aus jeder Gengruppe zufällig ausgewählt und im Genom neu gruppiert. Dieser neu entstandene Genabschnitt ist dann die Bauanleitung eines für genau diese Zelle charakteristischen Rezeptors.
In Form und Funktion unterscheidet sich der Rezeptor
allerdings deutlich von den Rezeptoren der T-Zellen. Es handelt sich bei den B-Zell-Rezeptoren um Y-förmige Eiweiße, die in zwei Variationen existieren. Bleiben sie in der Membran der B-Zelle gebunden, nennt man sie B-Zell-Rezeptoren . Werden sie von der B-Zelle sezerniert und in die Körperflüssigkeiten abgegeben, sind sie unter der Bezeichnung Antikörper bekannt. Das Repertoire der Antikörper respektive der B-Zell-Rezeptoren ist noch weit vielfältiger als das der T-Zell-Rezeptoren. Ein einzelner Mensch kann über 1
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000 verschiedene Varianten (Idiotypen) von Antikörpern produzieren. Die
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