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Kreuz des Südens

Kreuz des Südens

Titel: Kreuz des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Wind.
    »Pass auf, Virginia, ich werd hier eine Weile warten«, sagte Brazil. »Ich rufe jemanden über Funk, der mich abholen soll, wenn ich hier fertig bin.«
    Sie zögerte. Brazil fühlte, dass es sie störte, dass er blieb und es ihm offenbar nichts ausmachte, wenn sie ohne ihn ging. »Wie dem auch sei.« West zögerte wieder und sagte schließlich eingeschnappt: »Ich kann nur sagen, die Probleme in dieser verdammten Stadt sind schon erstaunlich. Und dann geben sie ein Vermögen aus für so einen beschissenen Friedhof.«
    »Übrigens«, sagte Brazil, der einiges über Richmond und seine Umgebung recherchiert hatte, »ist Hollywood ein NonProfit-Unternehmen, das nicht der Stadt, sondern einer Vielzahl von Eigentümern gehört.«
    »Pah!«, erwiderte West und stapfte davon. »Wen interessiert das.«
    Lelia Erhart zum Beispiel. Sie absolvierte bereits die achte Amtszeit als Vorsitzende vom Direktorium des HollywoodFriedhofs, was sie jedoch nicht sehr viel Zeit kostete. Die überwiegende Zahl der Grabbesitzer war verstorben, die jährlichen Treffen des Vorstands waren dünn besucht, Vorschläge und Beschwerden gab es äußerst selten.
    Auf den Treffen hatte Erhart niemals irgendjemanden gebraucht. Sie hatte niemals die Meinungen und Anregungen anderer eingeholt. Es war ausschließlich und ganz allein ihre Idee gewesen, Picknicks, Erfrischungsstände, alkoholische Getränke, Fahrräder, Jogger, Motorräder, Skateboards, Rollerblades, Freizeitfahrzeuge und Fahrzeuge mit Anhänger sowie Reklame jeder Art vom Friedhofsgebäude zu verbannen. Erhart war dem Friedhof, seiner Bedeutung als Touristenattraktion und dem Gedenken an vergangene, nicht jedoch vergessene Leben leidenschaftlich zugetan, insbesondere jenen, wo sie Verwandtschaftsansprüche geltend machte. »Das ist viel mehr als Vandalen«, erklärte Erhart im privaten Sitzungsraum des Commonwealth-Clubs, in welchen sie das Meeting einberufen hatte, das sie dann vorverlegt hatte. »Das ist Anschlag auf unsere unfremde Rechte, auf unsere Freiheit und Glücklichkeit, auf unsere wahrhaftige Zivilisation. Diese Vandalen, diese unreuigen kaltblütigen jugendliche Verbrecher, die sich selbst nennen >Hechte<, haben diskreditiert jede, die sitzen in diese Zimmer.«
    Zu diesem Kreis gehörte allerdings nicht Chief Judy Hammer, da sie ursprünglich aus Arkansas stammte. Sie rannte durch den efeuumrankten Eingang und dann die aus Ziegelsteinen erbaute vordere Treppe hinauf und in den historischen, höchst aristokratischen Club, in dem Frauen nicht Mitglied werden durften. Als Gäste ihrer Ehemänner oder männlicher Bekannter waren sie jedoch jederzeit herzlich willkommen, sämtliche Annehmlichkeiten zu genießen - außer der Victorianischen Bar, dem Herren-Grill, dem Swimmingpool, der Turnhalle, den Dampfbädern und Saunaräumen, den Squash- und Tennisplätzen sowie den Lesezimmern.
    Solcherlei Einschränkungen belasteten die der Wohlfahrt verpflichteten Damen jedoch wenig. Sie hatten alle Hände voll damit zu tun, Komitees für den Bal du Bois und seine Debütantinnen zu bilden oder mit Versteigerungen von Wein, Reisen, Schmuck und anderen Luxusgütern die Künste zu fördern; oder sie planten Hochzeitsempfänge, organisierten Ausstellungen für die Maymount Flower & Garden Show oder Essen mit der Virginia Federation of Garden Clubs, den Töchtern der Amerikanischen Revolution bzw. den Töchtern der Konföderierten und mit der Junioren-Liga. Und selbstverständlich den ersten Familien Virginias und den Ehefrauen der Abgeordneten.
    Hammer war zwanzig Minuten zu spät. Sie stürzte ins marmorne Foyer, unbeeindruckt von dem prächtigen orientalischen Teppich, dem antiken Kristalllüster, dem samtenen zweisitzigen Sofa mit Schönheitsspiegeln, dem deckenhohen Porträt George Washingtons. Sie hielt sich weder damit auf, den Mantel abzulegen, noch die fast erdrückenden Gemälde von Robert E. Lee und Lighthorse Harry zu bewundern. Judy Hammer interessierte sich nicht für diesen einhundertundacht Jahre alten Club, der von ehemaligen konföderierten Offizieren gegründet worden war, die gemäß ihrer ursprünglichen Verfassung soziale Beziehungen pflegen und eine Bibliothek hatten unterhalten wollen.
    Die Tür zum Sitzungsraum im ersten Stock war geschlossen. Hammer öffnete sie langsam und leise. Lelia Erhart hielt eine Ansprache. Hammer blickte in die Gesichter von Stadtrat Reverend Solomon Jackson, Bürgermeister Stuart Lamb, Vizegouverneur June Miller, vom Präsidenten der

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