Kreuzberg
geben
Ihnen gleich eine Tablette zur Beruhigung. Das lindert die Flugangst!«
»Ich habe
keine Flugangst, verdammt noch mal! Ich will nur nicht nach London!«
»Dann
nehmen Sie eben den nächsten Rückflug.«
Unerbittlich
bugsierten ihn die beiden Stewardessen auf den Sitz neben Ayse zurück und
sorgten dafür, dass er sich anschnallte.
»Und jetzt
beruhigen Sie sich. Das Wetter ist schön, wir werden keine Turbulenzen haben«,
lächelten ihn die Stewardessen an. »Es sei denn, Sie machen welche!«
Der Flieger
holperte schneller werdend über die Startbahn.
Das gibt’s
doch nicht, dachte Hünerbein fassungslos, die heben ab. Die heben wirklich ab.
Und ich bin noch an Bord!
»Wir
wünschen Ihnen einen guten Flug!«
Die
Stewardessen nickten ihm aufmunternd zu und verschwanden dann in ihrem Bereich,
um sich ebenfalls anzuschnallen. Kurz darauf war das Flugzeug in der Luft.
Hünerbein
musste ziemlich blöd aus der Wäsche geguckt haben, denn sowohl Ayse als auch
ihre beiden Söhne amüsierten sich bestens.
Na gut,
dachte Hünerbein grimmig, bevor ihr euch weiter über mich schlapp lacht, könnte
ich euch erzählen, dass euer Vater heute versucht hat, sich umzubringen. Dann
wäre der Spaß schnell vorbei. Ich könnte den unverhofften Flug aber auch zur
sachlichen Befragung nutzen. Vor allem Ayse gab ihm noch Rätsel auf.
»Gut, dann
gehen wir die Sache doch mal in aller Ruhe durch«, sagte er in amtlichem Ton
und wandte sich an die Frau. »Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihre Tochter
Fatma die Entführung nur vorgetäuscht hat, um der drohenden Hochzeit mit Chaleb
Kahali zu entgehen? Und ist es richtig, dass Sie schon länger planten, sich von
Ihrem Mann zu trennen? Um nach London auszuwandern? Haben Sie Verwandte in
London? Oder wo wollen Sie da hin?«
»Ich weiß
gar nicht, welche Frage ich Ihnen zuerst beantworten soll?« Ayse lachte immer
noch. »Das ist eine längere Geschichte, wissen Sie?«
»Nun, wir
haben ja jetzt Zeit.« Hünerbein lehnte sich zurück. »Fangen Sie einfach ganz am
Anfang an. Immer schön der Reihe nach, klar? Und bleiben Sie ja bei der
Wahrheit«, drohte er, »sonst nehme ich Sie alle wieder mit zurück nach Berlin.
Wegen Vortäuschung einer Straftat!«
»Aber wir
haben nichts vorgetäuscht«, riefen die Söhne aufgebracht. »Wirklich nicht!
»Der Reihe
nach«, wiederholte Hünerbein und schloss genervt die Augen.
41 KAUM ANDERTHALB
STUNDEN nachdem ich
mich mit Monika am Breitscheidplatz getroffen hatte, rief sie wieder an. Ich
saß im Büro und lauschte dem Bericht von Beylich, der von seinen Ermittlungen
in Spandau zurückgekehrt war. Er hatte das ausgebrannte BMW -Wrack
vom Grunewald, die demolierte Russenlimousine und die beiden toten KGB -Agenten
in Augenschein genommen. Die Fahrzeuge waren auf einen Stützpunkt der Royal Air
Force in Gatow gebracht worden, die Leichen lagerten in einem Kühlhaus auf dem
luxuriösen Anwesen des britischen Stadtkommandanten am westlichen Havelufer.
»Der lebt
da wie in einem Film«, begeisterte sich Beylich ungewohnt lebhaft, »herrliche
Villa in toller Lage direkt am Wasser, mit eigenem Bootssteg und
Hubschrauberlandeplatz. Da fehlte nur noch David Niven mit einem
Champagnerglas.«
Dass sich
ausgerechnet unser ehemaliger VP -Major für einen derart
dekadenten Lebensstil erwärmen konnte, erstaunte mich sehr, und ich hätte das
gern noch vertieft, aber nun war ja Monika am Telefon.
»Café
Atlantic in der Bergmannstraße«, sagte sie. »Siggi erwartet dich. – Sei
fair, okay?«
Das sagt
sie mir! Typisch Frau. Dabei ist doch Siggi der Mann in ihrem Leben, für den
Fairness bislang immer ein Fremdwort war.
Und
pünktlich ist er auch nicht. Seit gut zehn Minuten warte ich nun schon draußen
an den Bistro-Tischen vor dem Atlantic auf ihn, und kein Siggi in Sicht.
Entweder er checkt erst aufwendig das Gelände, ob ich vielleicht irgendwo ein SEK für den überraschenden Zugriff versteckt habe, oder aber die Russen haben ihn
schon erwischt.
Ich
bestelle mir noch ein Bier und beobachte die Leute auf der Straße.
Auch hier
ist es heute erschreckend ruhig. Aus keiner der unzähligen Kneipen ist Musik zu
hören. Die Cafés, Imbissbuden und Restaurants um mich herum sind still.
Kein »La Da
Dee Lalelah«, Crystal Waters ist verstummt, die wenigen Gäste sitzen angespannt
an ihren Tischen, lauschen den Nachrichten im Radio oder schauen gebannt den
Sondersendungen aus Moskau im Fernsehen zu.
Jelzin hat
sich zum Oberbefehlshaber der
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