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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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Russischen Föderativen Sowjetrepublik erklärt.
Alle Truppenteile auf russischem Gebiet seien allein ihm unterstellt und hätten
nur auf seine Befehle zu hören. Er beschwört die Militärs, sich nicht zum
Werkzeug des Unrechts zu machen und auf gar keinen Fall auf die
Zivilbevölkerung zu schießen, die zu Hunderttausenden auf den Straßen ist und
gegen die Putschisten demonstriert. Aber ob die Soldaten auf ihn hören werden,
steht in den Sternen.
    Plötzlich
klopft mir jemand auf die Schultern.
    »Danke,
dass du gekommen bist.« Siggi sieht sich gehetzt um und setzt sich dann. »Werd
ich dir nie vergessen, Dieter.«
    Das Gesülze
kann er sich sparen. »Was ist los?«, frage ich ihn. »Monika sagt, du fürchtest
um dein Leben und willst deshalb nicht in den Knast zurück?«
    »Na ja,
siehste ja«, er deutet auf den Fernseher über dem Tresen des Atlantic, wo
irgendein ARD -Spezialist über die Lage in Moskau Mutmaßungen anstellt. »Da
läuft gerade einiges schief.«
    »Und was
hast du damit zu tun?«
    »Ich war
beim M f S ,
Dieter. Für den KGB waren wir so was wie eine
Tochtergesellschaft, verstehst du? Die glauben, die können über uns verfügen.
Immer noch.«
    »Aber du
weigerst dich, oder was?«
    »So
ungefähr.« Siggi lacht bitter auf und sieht mich dann ernst an. »Hör zu, du
musst mir etwas über den Tod von Swantje Steffens erzählen. Es ist für mich
überlebenswichtig. Moni hat gesagt, du ermittelst in dem Fall.«
    »Das ist
richtig«, erwidere ich. »Aber so läuft das nicht, Siggi. Erst sagst du mir, was
du weißt, okay?«
    »Das kann
ich nicht, ich …«
    »Siggi«,
ermahne ich ihn, »ich darf dich an deine Lage erinnern. Von Rechts wegen müsste
ich dich sofort verhaften lassen und der Justiz überstellen.«
    »Was du
hoffentlich nicht tust …« Erschrocken schaut er die Straße rauf und
runter.
    »Keine
Sorge, ich bin hier der einzige Polizist. Deine Festnahme krieg ich notfalls
alleine hin.« Ich trinke mein Bier. »Also?«
    »Was willst
du wissen, Dieter?«
    »Alles.«
    Siggi
zögert einen Moment. »Ich hab keine Wahl, was?«
    »Doch.« Ich
lehne mich zurück. »Du hast völlig freie Wahl, wie in einer Demokratie üblich.
Aber jede deiner Entscheidungen hat Konsequenzen. Keine Entscheidung übrigens
auch.« Ich zeige ihm die Handschellen.
    »Das ist
sehr deutlich, Dieter.«
    »Ich
verschwende ungern Zeit.«
    »Also gut.«
Siggi beugt sich vor. »Hör zu: Ich weiß nicht, wer dafür verantwortlich ist,
dass ich Freigang bekommen habe. Aber am Freitag haben mich die Sowjets zu sich
einbestellt. Ich bin kaum aus dem Knast raus, da fängt mich eine Frau ab.«
    »Swantje
Steffens?«
    »Ja. Aber
das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Ich kannte sie nur als Cordula. Ein
Deckname, den sie schon bei uns im M f S hatte.«
    »Eine alte
Kollegin von dir? Ich dachte, sie war Westagentin.«
    »Sie hat
die Seiten gewechselt.«
    »Und wollte
von dir Informationen?«
    »Ich sollte
sie über das Gespräch in der Botschaft informieren.«
    »Und? Hast
du?«
    »Dazu kam
es nicht mehr. Sie wurde vorher umgebracht.« Er starrt mich an. »Und ich muss
wissen, von wem.«
    »Wenn ich
schon so weit wäre, könnte ich die Akte schließen und zur Verhaftung
schreiten.«
    »Wurde sie
gefoltert vor ihrem Tod?«
    Du lieber
Gott, denke ich, sind das nur schlimme Phantasien, oder herrschen im
Schlapphutmilieu wirklich so harte Bandagen?
    Ich
antworte nicht und frage stattdessen: »Was wollten die Russen von dir?«
    »Irgendwelche
Informationen«, weicht er aus.
    »Siggi!«
    »Die haben
das total überschätzt«, beeilt er sich. »Die dachten, ich hätte Kontakt zu
Schläfern, verdeckt operierenden Genossen.«
    Da ist er
wieder, der kommunistische Untergrund, und mir fällt die Textzeile eines alten
Arbeiterkampfliedes ein, das Siggi regelmäßig zu Silvester anstimmt, wenn er
betrunken ist: » Seht wie der Zug von Millionen endlos aus Nächtigem quillt. «
Irgendwann werden sie an die Sonne drängen, die Brüder aus dem Untergrund.
    »Dabei war
ich nie fürs Operative zuständig«, beteuert Siggi. »Ich war bei uns
Finanzfachmann, Buchhalter, das weißt du doch: Meine letzte Aufgabe fürs
Ministerium war, Geld beiseitezuschaffen – dafür wurde ich verurteilt.«
    Ich muss
lächeln: Siggi Meyer, der letzte Prokurist der Stasi. Nicht schlecht.
    »Selbst
wenn ich gewollt hätte«, setzt er hinzu, »ich hätte den Russen nichts genutzt.«
    »Und warum
wollen sie dich dann umbringen?«
    »Keine
Ahnung. Aus Rache

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