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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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vielleicht, was weiß ich?«
    »Rache«,
frage ich nach, »wofür?«
    »Ich weiß
es doch nicht.«
    Er windet
sich, so viel ist klar. Und er hat Angst. Ich sehe sie in seinen Augen.
Todesangst. Wie er sich dauernd nervös umschaut. Als lauerten die bösen Russen
schon hinter jeder Ecke. Aber wenn sie ihm wirklich nach dem Leben trachten,
verschweigt er mir den Grund dafür.
    »Was hast
du ihnen getan?«
    »Nichts«,
beteuert er wieder. »Ich sage ja, ich bin vollkommen nutzlos für sie.«
    »Und
deshalb wollen sie dich umbringen?« Lächerlich. »Dann müsste ja die halbe
Menschheit auf der Liste des KGB stehen.«
    »Die
Steffens haben sie doch auch umgebracht.«
    »Ja, aber
die hat wenigstens schon mal die Seite gewechselt.« Eine Schlapphütin im Dienste
der Freiheit, getarnt als Finanzbeamte. Auch nicht schlecht.
    »Und warum
haben die mich dann abgeholt?« Siggi regt sich auf. »Warum wollten die mich in
eine ihrer Kasernen bringen? Die hatten bestimmt keinen gemütlichen Abend am
Samowar mit mir im Sinn.«
    »Stopp«,
sage ich ruhig. »Ganz langsam: Wer hat dich wann abgeholt?«
    »Na, die
Russen!« Siggi sieht mich an, als wäre ich schwer von Begriff. » KGB ! Gestern! Ich will gerade zu
meinem zweiten Freigang raus, da warten die schon vor der Tür. Zack, rein ins
Auto und los ging’s. Mit Vollgas.«
    »Wohin?«
    »Keine
Ahnung.« Siggi zuckt mit den Schultern. »Wir nehmen an, die wollten mit mir ins
alte Olympische Dorf. Da haben die Russen einen Stützpunkt.«
    Ich
verstehe nicht ganz. Wieso nimmt Siggi das nur an? Ich denke, er saß bei den
Russen schon im Wagen?
    »Wo seid
ihr denn stattdessen hingefahren?«
    Siggi
starrt mich groß an. Dann schüttelt er den Kopf. »Das kann ich dir nun wirklich
nicht erzählen, Dieter.«
    »Was ist
passiert?«
    Plötzlich
habe ich eine furchtbare Ahnung. Das Olympische Dorf der Spiele von 1936 liegt
direkt hinter Spandau an der Stadtgrenze im Osten. Und es gibt nur eine, nahezu
schnurgerade Straße dorthin.
    »Hattet ihr
vielleicht einen Unfall?«, frage ich lauter. »Auf der Heerstraße? Einen Unfall
mit drei Toten?« Ich packe ihn an den Schultern und ziehe ihn etwas zu mir
heran. »Oder war es doch eher Mord!«
    »Dieter …«
Siggi hebt abwehrend die Hände und macht sich los. »Ehrlich, ich habe damit
nichts zu tun.«
    »Wer dann?«
So langsam reicht es mir. »Spuck’s aus, Siggi! Rede! Sonst bring ich dich
gleich nach Tegel zurück! Was ist da passiert? Wer hat geschossen? – Du?«
    »Nein!«
    »Wer dann?!
    Die letzten
Worte haben wir fast geschrien. Ein paar Leute drehen sich nach uns um.
    »Ich kann
dir das nicht sagen, Dieter.« Siggi ist nah an der Verzweiflung. »Mensch, der
Mann hat mich befreit. Der hat mir das Leben gerettet. Ich kann den doch jetzt
nicht verraten.«
    »Der Mann
hat drei Leute umgebracht.«
    »Das waren
doch selber Killer. Begreifst du das nicht? – Die hätten sonst mich
umgebracht!«
    »Nicht
zwingend«, winke ich ab. »Also wer?«
    Siggi will
partout nichts sagen. Immerhin ist mir jetzt klar, wovor er Angst hat. Denn
natürlich werden die Russen das Verschwinden ihrer KGB -Leute
mit Siggis Flucht in Verbindung bringen. Sie werden ihn suchen. Mit allen
Mitteln. Bis sie ihn gefunden haben. Und wie es ihm dann ergeht, darüber möchte
ich lieber nicht nachdenken.
    Ich ziehe
das Phantombild vom Browning-Mann mit der Stirnglatze aus der Innentasche
meiner Jacke und lege es auf den Tisch.
    »Es hat
keinen Sinn, jetzt zu schweigen, Siggi. Wir kriegen es sowieso irgendwann raus.
Du hilfst mir nur, Zeit zu sparen.«
    »Woher hast
du das?« Verblüfft nimmt er das Phantombild in die Hand.
    »Der Mann
wurde gesehen«, antworte ich ihm, ohne meine eigene Zeugenschaft zu erwähnen.
»In der Wohnung von Swantje Steffens. Und er hatte die Waffe dabei, mit der
auch die drei Russen umgelegt wurden.«
    Ich lehne
mich zurück und beobachte ihn genau. Er versucht, sich nichts anmerken zu
lassen, aber es arbeitet in ihm. Denn natürlich muss er jetzt vermuten, dass
sein Retter mit der Browning auch Swantje Steffens auf dem Gewissen hat.
    »Was weißt
du noch?«, fragt er mich kaum hörbar.
    »Nicht
viel«, pokere ich, »aus ihrer Wohnung sind alle persönlichen Gegenstände
verschwunden. Nur durch Zufall haben wir erfahren, dass sie mal verheiratet
war.«
    »Verheiratet?«
    »Geschieden«,
verbessere ich mich, »der Mann war Oberst der NVA . Nachrichtentechnik.«
    »Wie heißt
der Mann?«
    »Reinicke,
Lothar«, antworte ich. »Wieso fragst

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