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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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Ihre Reise verschieben müssen.«
    »Meinen
Sie.« Reinicke stand abwartend an der Tür.
    Er hat
Angst, dachte Meyer, eine Scheißangst, die fast körperlich spürbar ist. Aber
wovor? Etwa vor mir?
    »Haben Sie
Angst«, erkundigte er sich, weil er es genauer wissen wollte, »sind Sie
beunruhigt?«
    »Ein
wenig.« Reinicke blieb unbeweglich. »Ich soll Ihnen einen Gefallen tun, sagten
Sie?«
    »Ja.« Meyer
überlegte. Das Verhalten dieses Mannes kam ihm seltsam vor. Merkwürdig widersprüchlich.
Einerseits blieb er abwehrend, andererseits schien er sich auf das Gespräch
doch einlassen zu wollen. Und er stand unter Druck.
    »Wollen Sie
nicht wissen, wie Ihre Frau gestorben ist?«
    Reinicke
antwortete nicht und schloss stattdessen die Wohnungstür ab, was Meyer
verwunderte. Denn Reinicke hatte die Tür nicht einfach nur zugemacht, sondern
regelrecht verschlossen. Zweimal den Schlüssel herumgedreht, dann abgezogen und
in die Hose gesteckt.
    »Warum
sollte ich das wissen wollen?« Reinicke zog jetzt auch die Zimmertür hinter
sich zu und kam drohend näher. »Ihnen ist vollkommen klar, dass ich es weiß.«
    Nein,
dachte Meyer verwirrt. Wovon redet der Mann?
    »Und Sie
wollen mich erpressen, richtig?«
    Jetzt war
es Meyer, der Angst bekam. Denn plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den
Augen.
    Mein Gott,
dachte er, was für ein fatales Missverständnis! Eines von denen, die sich nie
wieder mehr ausräumen ließen. Denn dafür war es nun zu spät.
    Dabei war
es Meyer doch nur um das übliche Geben und Nehmen gegangen. So wie er das seit
Jahrzehnten handhabte, die alte Stasitaktik: Ich habe eine Information, und du
musst dafür etwas tun. Ein einfacher Handel. Wissen gegen Gefälligkeit, so
retteten sich schon Schüler durchs Abitur.
    Wie hätte
Meyer ahnen können, dass das einmal für ihn gefährlich werden könnte. Dass er
einmal unbewusst so verflucht ins Schwarze treffen würde.
    Eiskalt
trat ihm der Schweiß auf die Stirn. Plötzlich saß er in der Falle. Unversehens
hatte er sich einen Strick um den Hals gelegt. Eine Schlinge, die er nicht mehr
loswurde und die sich zusehends enger zog. Denn vor ihm stand der Mörder von
Deckname Cordula. Der Mann, der Swantje Steffens umgebracht hatte.
    Und es sah
nicht so aus, als würde er Meyer wieder gehen lassen.

43    »TRINK DOCH WAS, Schätzchen. Ich hab dir extra eine
Cola mitgebracht.«
    Früher
hatte sie Cola am liebsten getrunken. Keinen Tee, kein Wasser und Alkohol schon
gar nicht. Immer nur Cola. Das vertrage sie am besten, hatte sie gesagt. Cola
und Schokoeis. Doch jetzt lag sie da, trank und aß nichts mehr.
    Die Ärzte
hatten irgendeine Nährstofflösung an einen Tropf gehängt, die ihr über einen
Schlauch durch die Nase eingeflößt wurde. Das sei notwendig, sagten sie. Eine
lebensrettende Maßnahme.
    Fatma fand
es nur abartig.
    »Trink doch
was«, bat sie hilflos und hielt der Freundin die Colaflasche an den Mund, »so
wie früher, bitte!«
    Doch es gab
kein Früher mehr. Es gab kein Jetzt und kein Morgen. Fatma spürte es.
    Seit
Wochen lag Annika fast unbeweglich da. In einem sterilen, gnadenlos weiß
getünchten Krankenzimmer. Die Laken frisch gemangelt, das Bettzeug in steifen
Falten. Sie hatte die Augen geschlossen und atmete gleichmäßig. Wie
Dornröschen, von einer bösen Fee in einen hundertjährigen Schlaf geschickt.
Zweimal am Tag kam die Physiotherapeutin und machte irgendwelche Übungen mit
ihr, um Muskelabbau und Gelenkversteifungen zu verhindern. Aber es nutzte
nichts. Annika wurde immer schwächer. Man sah es ihr an.
    Anfangs
hatten die Mädchen gedacht, Annika würde wieder erwachen, wenn nur das Schwein
gefasst würde. Wie ein böser Fluch, der genommen wird.
    Aber das
Schwein war nicht gefasst worden. Bis heute nicht. Die Bullen waren total
unfähig, und auch mit ihrer Hexenpatrouille hatten die Mädchen keinen Erfolg.
Sie erwischten immer nur die Falschen. Arme Säue. Aber was rannten die nachts
auch im Park herum, diese blöden Wichser.
    Und
letztens hätten sie beinahe versehentlich einen Kripo-Mann verprügelt. So ein
Arsch! Der zog sogar eine Waffe. Und dann hatte er noch Moralpredigten gehalten,
dieser Idiot, anstatt sich um das Schwein zu kümmern, das Annika vergewaltigt
hatte.
    Fatma
sah auf die Uhr. Gleich fünf. In einer Stunde musste diese dämliche Schwester
reinkommen. Eine echt fette Kuh, die Verdacht geschöpft und Fatma schon zweimal
von der Station geschmissen hatte. Bloß gut, dass die nicht dauernd im Dienst
war.
    Die

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