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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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exotische Sprachen gelernt habt: Weißt du auch, was Supta Vajrasana heißt?« –
Diesen merkwürdigen Eintrag habe ich im Terminplaner der toten Swantje Steffens
gefunden. Mit dem Zusatz »Padma Aruna« taucht er dort jede Woche auf, und ich
kann mir keinen Reim darauf machen.
    »Das ist
auf jeden Fall nicht Russisch«, erwidert Beylich. »Eher Sanskrit oder Indisch.«
Er erhebt sich, um ein Lexikon zu suchen. »Und dann könnte es sich um eine
Yogaübung handeln.«
    »Wie kommst
du darauf?«
    »Wenn der
Westen indische Begriffe benutzt, dreht es sich immer entweder ums Essen, um
Mango Lassi, Bhagwan oder Yoga.«
    »Du meinst,
diese Entspannungsübungen? Hare Krishna und so?«
    »Yoga ist
vor allem eine Philosophie«, doziert Beylich, »und nicht mal die schlechteste.«
    Mag sein.
Aber hilft uns das jetzt weiter? Ich wende mich wieder den Akten aus Swantje
Steffens’ Wohnung zu, in der Hoffnung, wenigstens einen Hinweis auf den
mysteriösen Browning-Mann zu finden. Doch stattdessen fällt mir erneut der
Zeitungsartikel über den Banküberfall am Mehringdamm in die Hände.
    Was wollte
Swantje Steffens damit? Warum war ihr diese Nachricht so wichtig, dass sie sie
ausgeschnitten und in ihren Rechnungsordner geheftet hat? Und was bedeuten die
handschriftlich notierten Zahlen darauf: zehn, neun, zweiundsiebzig. Seltsam.
    Ich greife
zum Telefon und rufe das zuständige Raubdezernat an, das den Fall bearbeitet.
»Kommt ihr voran? Habt ihr schon einen Verdächtigen?«
    Nein, wird
mir geantwortet, man wisse lediglich, dass es sich um einen Einzeltäter
gehandelt habe. Er sei sehr professionell vorgegangen und habe kaum Spuren
hinterlassen. Ansonsten tappe man völlig im Dunkeln.
    Trotzdem
würde ich mir die Akten gern einmal ansehen.
    »Wir
schicken dir Kopien rauf, in Ordnung?«
    »Danke.«
Ich lege wieder auf und sehe Matuschka an. »Gibst du mir mal das Identikit
rüber?«
    Das
Identikit ist ein Gerät mit vielen Folien. Es wird zum Erstellen von
sogenannten Phantombildern benutzt. Jede Folie enthält eine Skizze
verschiedenster Gesichtsmerkmale, wie Kinnformen, Haaransätze, diverse Nasen,
Mund- und Augenpartien. Übereinandergelegt können aus diesen Folien ganze Gesichter
zusammengesetzt werden, die im besten Fall dem Realbild ziemlich nahe kommen.
Da ich den Mann mit der Browning eine ganze Weile lang durch den Türschlitz
beobachten konnte, habe ich mir sein Gesicht eingeprägt und kann es mit dem
Identikit nachstellen. Wer weiß, vielleicht finden sich ja vergleichbare Typen
in unserer Verbrecherdatei.
    »So,
Männer! Jetzt schießt sich die Presse auf unser Lenzchen ein.« Kriminaloberrat
Dr. Edmund Palitzsch kommt ins Büro und haut einen Stapel Zeitungen auf
den Tisch. Fast alle beschäftigen sich mit dem Auftritt von Inga Lenz auf der
unangemeldeten Frauendemo am gestrigen Sonntag.
    » WIE LINKSEXTREM IST DIESE POLIZISTIN? « So lautet der Tenor vor
allem der konservativen Presse. Andere Zeitungen, wie der Tagesspiegel, bei dem
Monika als Journalistin arbeitet, beschäftigen sich eher mit der Frage, ob sich
Staatsbeamte überhaupt aktiv in die Politik einmischen dürfen. Die linken und
vor allem die feministischen Blätter dagegen wittern Verrat und greifen Inga
Lenz scharf als » POLIZEIHURE DES PATRIARCHATES « an.
    »Nee, das
hat sie nun wirklich nicht verdient.« Darin sind wir uns, trotz inniger
Abneigung Inga Lenz gegenüber, einig. Aber so ist das Leben: Die eigene
Fraktion haut dir immer als Erstes auf die Fresse.
    »Seht ihr.«
Beylich zieht sich sein geliebtes PDS -Parteiorgan »Neues
Deutschland« aus dem Zeitungsstapel. »Und genau deshalb bin ich gegen eine
öffentliche Fahndung nach dem Mädchen.«
    »Wurde das
hier diskutiert?« Palitzsch sieht uns vorwurfsvoll an. »Darüber entscheide letztendlich
nur ich.«
    »Ja, Chef.«
    »Und ich
bin dagegen. Öffentlichkeit kann nur das letzte Mittel sein. Sonst ergeht es
uns noch mal wie der Kollegin Lenz.«
    Ratlos
starre ich auf mein halb fertiges Phantombild. Der Mund.
    Wie sah nur
sein Mund aus? Ich weiß es nicht mehr. Nachdenklich probiere ich verschiedene
Mundpartien aus. Vielleicht fällt’s mir ja wieder ein.
    Palitzsch
sieht mir zu. »Soll das der Mann mit der Browning werden?«
    »Ziemlich
unauffällig«, findet Hünerbein, der auch gucken kommt. »Bis auf die hohe
Stirn.«
    Und genau
dieses Allerweltsgesicht ist mein Problem. Mund und Augenbrauen stimmen noch
nicht. Hatte der Kerl überhaupt Augenbrauen? Außerdem stört mich, dass

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