Kreuzberg
mir
andere beim Arbeiten zuschauen.
»Habt ihr
nichts zu tun?«
»Falls es
deine Laune verbessert«, Hünerbein lehnt sich bräsig an meinen Schreibtisch,
»ich glaube, dass das entführte Mädchen noch lebt. Und es hat was mit dem
Schlüssel zu tun.«
»Welcher
Schlüssel?«
»Na, der
Wagenschlüssel vom Mercedes des Blumenhändlers.« Hünerbein erzählt, wie Hüseyin
Misirlioglu die Übergabe des Wagens in Kohlhasenbrück erlebt hat.
»Wie einen
Raub. Die haben ihn erst vom Wagen weggelockt und sind dann mit dem Auto
abgehauen. Interessant ist, dass Misirlioglu vorher seinen Zündschlüssel
abgezogen hat. Ergo mussten die Entführer einen Zweitschlüssel haben. Und
tatsächlich wurde der Gattin des Blumenhändlers eben dieser Schlüssel am Montag
in der Marheinecke-Markthalle geklaut.«
»Das ist
doch absurd.« Beylich wedelt sich mit seiner linken Parteizeitung vorm Gesicht
herum. »Wenn die Täter die Wagenschlüssel haben, warum entführen sie dann das
Mädchen? Die hätten sich das Auto doch ohne Probleme holen können. Nachts, wenn
keiner guckt.«
»Der
Blumenhändler hatte seinen Wagen meist in einer Garage auf dem Hinterhof
geparkt«, erwidert Hünerbein. »Und die war überdurchschnittlich gut gesichert.
Sicherheitsschloss, Alarmanlage …«
»Das heißt,
selbst wenn die Täter es von Anfang an auf das Auto abgesehen gehabt hätten«,
Palitzsch schaut sich nun ebenfalls mein Phantombild an, »hätten sie den Wagen
nicht so einfach stehlen können?«
»Nicht aus
der Garage«, sagt Hünerbein. »Lediglich am Tag der Pfändung stand der Wagen vor
dem Haus, weil der Blumenhändler ja damit zur Übergabe fahren wollte. Doch dann
kam ihm die Steffens in die Quere und ließ den Wagen an die Kette, oder besser
an die Kralle legen.«
»Außerdem
wollten die Entführer ja ursprünglich Geld«, wende ich ein. »Hunderttausend
Mark.«
»Fein, und
warum stehlen sie der Frau dann den Wagenschlüssel?«
Gute Frage,
denke ich und bleibe Hünerbein die Antwort schuldig.
»Versteht
doch endlich! Es geht hier weder ums Geld noch ums Auto«, erregt er sich,
»sondern um etwas ganz anderes. Das hab ich im Gefühl.«
»Aber die
Sterne sagen dir nicht, um was es geht!«
»Nein, das
sagen sie leider nicht.« Hünerbein sieht mich wütend an, »und ich rede hier
auch nicht von Astrologie, sondern von«, er tippt sich gegen die Stirn,
»kriminalistischem Gespür. Die Misirlioglus verschweigen uns was. Die wissen
mehr, als sie zugeben.«
»Dann nehmt
sie euch doch einfach noch mal vor.« Palitzsch hat genug von der Debatte und
wendet sich zur Tür. »Viel Erfolg noch.«
»Ihnen
auch, Chef!«
Hünerbein
steht nachdenklich vor unserer Pinnwand, auf der wir alles notiert haben, was
irgendwie wichtig erscheint.
»Wisst ihr
was?«
Dämliche
Frage. Was sollen wir denn wissen?
Hünerbein
tippt auf die Namen von Sylvie de Groot und Sophia Hertz. »Ich schaue mir mal
die Geliebten an.« Er nimmt seinen Trenchcoat vom Stuhl und zieht ihn sich
umständlich über. »Ciao, bambinos!«
»Ciao, ciao!«
Mein
Phantombild sieht dem Browning-Mann endlich ziemlich ähnlich. Nicht
hundertprozentig, aber das kann an der Zweidimensionalität liegen. Auf jeden
Fall ist ein recht gutes Nullachtfünfzehn-Antlitz mit Stirnglatze
herausgekommen.
»Matuschka?«
»Ja?«
Sofort springt er auf und kommt heran.
Ich gebe
ihm das Identikit. »Kannst du das Bild mal durch den Kopierer jagen?«
»Klar«,
strahlt er und macht sich auf den Weg.
»Ich
hab’s«, ruft Beylich. » Supta Vajrasana , na endlich: Yogaübung zur
Aktivierung der Eierstöcke, auch ›Diamantschlaf‹ genannt.«
»Steht das
in deinem kommunistischen Parteiorgan?«
»Nee, aber
im Lexikon. Alternativ kann auch das Surya Bhedana gewählt werden.«
Ich muss
grinsen. »Dann hat die Steffens Yoga für ihre Eierstöcke gemacht?«
»Na ja.«
Beylich packt das Lexikon weg und wendet sich wieder dem Neuen Deutschland zu.
»Andere gehen halt zum Arzt.«
Oder zum
Psychologen, denke ich. Und da wird viel geredet. Swantje Steffens war immer
dienstags und donnerstags zum Yoga gegangen, das letzte Mal also einen Tag vor
ihrem Tod.
Ich
schnappe mir ein Branchenbuch. Und tatsächlich findet sich dort ein Eintrag des
Padma-Aruna-Institutes für Hormon Yoga.
»Das schaue
ich mir mal an«, sage ich zu Beylich und verabschiede mich.
22 DAS
PADMA-ARUNA-INSTITUT für
Hormon Yoga befindet sich in einem heruntergekommenen Hinterhof in der
Methfesselstraße am Viktoriapark und
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