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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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hinauf.
Von oben war das gesamte Areal einsehbar, doch noch bevor sie den Gipfel
erreicht hatte, hörte sie ein erbärmliches Wimmern.
    Augenblicklich
hielt Inga inne. Ihr Funkgerät knackte vernehmlich.
    »Alles in
Ordnung bei Ihnen?«, erkundigte sich Schmittke.
    »Ich hab
gesagt, Sie sollen mich nicht anfunken, verdammt!« Genervt schaltete sie das
Gerät ab. Dieser Idiot. Der verdarb noch alles.
    Inga
lauschte angespannt. Östlich von ihr war eine Senke, dort wuchs das Gras
spärlicher, der Boden war aufgewühlt von Enduro-Fahrern, die hier tagsüber mit
ihren Maschinen Motocross simulierten. Die Kiesgrube. Das war sie.
    Na los,
dachte sie, zeig dich, du Schwein!
    Wieder
dieses Wimmern, ganz nah! Ein Schluchzen, ein weinendes Mädchen!
    Inga rannte
los. Dieses Arschloch tat es wirklich vor ihren Augen! Sie zog die Heckler
& Koch hervor und entsicherte sie noch im Laufen.
    Dann sah
sie das Mädchen. Blondes, zerzaustes Haar und ein leichtes Sommerkleid. Es lag
heulend im tiefen Gras.
    Vom Täter
war nichts mehr zu sehen.
    »Schmittke:
Krankenwagen, schnell«, bellte Inga ins Funkgerät, aber sie hatte es ja eben
ausgeschaltet. Mist!
    Eilig
hockte sie sich neben das Mädchen, hielt es behutsam an den Schultern.
    »Hey«,
keuchte sie atemlos, »es ist vorbei, ich bin bei dir, okay?«
    Das Mädchen
starrte sie aus tränenfeuchten Augen an.
    »Ich bin
Polizistin«, flüsterte Inga eindringlich. »Wie sah er aus? Wo ist er hin?«
    »Wer?« Das
Mädchen wischte sich schniefend über das Gesicht.
    »Der Typ,
der dir das hier angetan hat?«
    »Timmy?«
Das Mädchen schluckte schwer. »Zu Hause, nehm ich an.«
    Inga
verstand nicht gleich.
    »Er hat
mich verlassen.« Das Mädchen fing wieder an zu weinen und vergrub schluchzend
sein Gesicht an Ingas Schultern. »Wegen Nathalie. So ein Arsch, echt!«

21    AUCH AM
MONTAGVORMITTAG fehlt
von der Tochter des Blumenhändlers noch immer jede Spur. Entsprechend gedrückt
ist die Stimmung in unserem Büro.
    Denn aus
kriminalistischer Sicht ist der Fall so klar wie deprimierend: Taucht ein
Entführungsopfer trotz erfolgter Lösegeldübergabe nicht innerhalb von
vierundzwanzig Stunden wieder auf, ist es tot. Neunzig Prozent Wahrscheinlichkeit,
das sind die traurigen Erfahrungswerte. Die Kidnapper ermorden ihr Opfer, um
später nicht erkannt zu werden.
    »Vielleicht
sollten wir an die Öffentlichkeit gehen.«
    »Wie meinst
du das?« Alle sehen mich an. »Presse? Ein Aufruf an die Entführer zur
Hauptnachrichtenzeit im Fernsehen? Mit dem Appell, die Kleine laufen zu lassen?
Und in welcher Sprache soll das abgefasst werden? – Deutsch? Türkisch?
Oder beides?«
    »Wer immer
das Mädchen entführt hat, muss Deutscher gewesen sein«, meint Hünerbein.
    »Wieso?«
Wie kommt er darauf?
    »Weil sie
sonst die Ansage auf dem Video auf Türkisch gemacht hätten«, antwortet er,
»keine Polizei und so … War doch an die türkischen Eltern gerichtet. Also
ich schließe daraus, dass die Entführer kein Türkisch können. Ergo Deutsche
sind.« Er sichtet die Unterlagen, die in der Wohnung des Blumenhändlers
beschlagnahmt worden sind, und sucht Hinweise auf mögliche Täter. Leider
vergebens. Es gibt kaum Papiere, die etwas über das Mädchen aussagen. Ein paar
recht gute Zeugnisse, ein Verfahren wegen Diebstahls in einem Drogeriemarkt,
Fotos vom Urlaub mit der Familie in der Türkei. Mehr nicht.
    »Das muss
nichts heißen.«
    »Was?«
    »Die
deutsche Ansage auf dem Video.« Beylich lehnt am Fenster. »Damit verschleiern
sie ihre Herkunft.«
    »Stimmt«,
pflichtet Matuschka bei. »Wenn sie Spanisch geredet hätten, wären wir auch
nicht auf die Idee gekommen, dass da nun unbedingt Spanier dahinterstecken
müssen.«
    »Aber
verwirrt hätte uns das schon.«
    »Ein Aufruf
an die Presse kommt ohnehin nicht in Frage«, wiegelt Beylich ab. »Die Situation
ist angespannt genug. Wenn das die Frauenbewegung in den falschen Hals bekommt,
ist da draußen die Hölle los.«
    »Wenn sie
merken, dass wir nicht mit allen Mitteln nach dem entführten Mädchen suchen,
auch«, erwidere ich.
    »Übrigens«,
Hünerbein sieht auf, »diese Ayse hat mehrere Englischkurse besucht.«
    »Siehste,
Beylich«, ich werfe einen Blick auf unseren Ostkollegen, »die Frau spricht
nicht nur besser Deutsch als du, sondern auch Englisch.«
    » А вы идиоты не владеющих русским языком «, erwidert er knapp.
    Idioten
habe ich verstanden. Den Rest will ich gar nicht wissen.
    »Wenn ihr
im Osten so

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