Kreuzberg
John E. Douglas.« Er schlug eifrig
die Mappe auf. »Einer der wichtigsten Kriminalpsychologen des FBI .
In diesem Artikel beschreibt er die häufigsten Ermittlungsfehler bei der
Verfolgung von Serientätern. Einer ist, dass man meist zu früh von einer Serie
ausgeht.«
»Wie meinen
Sie das, Schmittke?«
»Wir reden
immer vom Golgatha-Täter …«
»… ich
nicht«, wiegelte Inga Lenz ab. »Das ist eine Erfindung der Presse.«
»In
Ordnung.« Schmittke lächelte sie an. »Dann vergessen wir den mal.«
»Bestens,
so weit war ich auch schon. Und weiter?«
»Nehmen wir
mal an, wir haben mehrere Täter.« Er setzte sich neben sie und rückte an sie
heran.
Zu nah, wie
sie fand.
»Täter, die
nichts miteinander zu tun haben.« Er strahlte über das ganze Gesicht. »Die sich
nicht kennen und einander noch nie begegnet sind. Unauffällige Männer, die nur
eines gemeinsam haben: Mädchen mit Messern zum Sex zu zwingen.«
»Und was
freut Sie daran so?«
Sein
Lächeln erstarb. »Nichts. Wieso?«
»Weil Sie
grinsen wie ein Mondkalb.«
»Verzeihung.«
Schmittke nahm die Mappe wieder an sich. »Ich grinse nicht«, sagte er
beleidigt. »Ich versuche nur, etwas Abstand zu halten. Mit einer für Sie vielleicht
unangemessenen Fröhlichkeit. Aber anders ist das hier nicht auszuhalten.«
Er erhob
sich wieder und verließ das Büro fast lautlos.
Mehrere
Täter, überlegte Inga Lenz. Täter, die sich nicht kennen. Aber haben wir dann
überhaupt noch eine Chance?
Diese Stadt
war voll von Männern. Verklemmten Typen mit seltsamen Phantasien,
Frauenhassern, Problembären … Es gab so viele Irre in Berlin, denen alles
zuzutrauen war, die konnte man ja nicht alle wegsperren.
Wo
ansetzen, dachte Inga Lenz und rieb sich übermüdet über das Gesicht, ich weiß
es nicht.
Das Telefon
klingelte, und sie nahm ab. Man hörte ein gleichmäßiges Atmen am anderen Ende
der Leitung und eine verzerrte, etwas spöttisch klingende Stimme.
»Na, Inga?
Kommst nicht wirklich voran, wie?«
»Moment
mal!« Geistesgegenwärtig drückte Inga die Taste des Aufnahmegerätes, um das
Gespräch mitzuschneiden, und einen zweiten Knopf, der die Zentrale alarmierte,
den Anrufer zu orten. »Wer sind Sie?«
»Inga,
wieso fragst du so blöde? Du weißt es doch. Ich bin der, den du suchst. Aber es
ist schwierig geworden im Viktoriapark. Da rennen mir jetzt zu viele
Rächerinnen herum. Ich werde auf die Hasenheide ausweichen müssen. Auf den
Volkspark oder den Tiergarten. Und jedes Mal, wenn ich wieder eine flachlege,
denke ich an dich.« Dann legte er auf.
Inga ließ
den Hörer sinken. Das war heute Abend schon der fünfte Anruf dieser Art. Sie
war ja jetzt bekannt als die Frau, die das Sexmonster jagt. Das lockte alle
möglichen Spinner an. Vielleicht waren auch besonders humorvolle Kollegen
darunter, wer wusste das schon so genau? Allerdings konnte es auch der gesuchte
Täter sein. Denn auch er wusste jetzt, wer ihn verfolgt.
Inga Lenz
wollte gerade wieder zum Hörer greifen, um bei der Zentrale nachzufragen, ob
der Anruf rückverfolgt werden konnte, da klingelte das Telefon erneut. Sofort
war sie dran.
»Ja?«
»Was hältst
du vom Görlitzer Park? Da bleiben wir wenigstens im Bezirk.« Es war dieselbe
Stimme wie eben.
»Was haben
Sie vor?«, fragte Inga. »Hören Sie auf damit!«
»Ich dachte,
du willst Satisfaktion, du Lesbe. Einmal dabei sein. Vielleicht kriegst du mich
ja doch!«
»Ganz
bestimmt, du perverses Schwein«, knurrte Inga zurück. »Verlass dich drauf!«
»Na also,
das ist doch ein Wort.« Der Anrufer lachte leise. »Ich erwarte dich an der
alten Kiesgrube. In einer halben Stunde. Bis dann.«
»Was?« Inga
Lenz schrie es fast. »Hallo!«
Aber der
Kerl war nicht mehr dran. Hastig rief sie die Zentrale an. »Habt ihr den Kerl
orten können?«
»Negativ«,
kam es zurück, »der Anruf war zu kurz.«
Mist! Inga
knallte den Hörer auf die Gabel und lief aufgebracht in ihrem Büro hin und her.
Was sollte sie tun? Ein Einsatzkommando zum Görlitzer Park schicken? Und wenn
es wieder eine Pleite wurde? Oder den Anrufer verschreckte?
»Schmittke«,
brüllte sie, zog sich die Lederjacke über und rannte hinaus in den Gang.
»Verdammt noch mal, Schmittke, wo stecken Sie?«
Er stand
mit einer leeren Blechdose in der Teeküche und sah erschrocken auf.
»Er hat
angerufen«, rief Inga aufgeregt, »eben gerade. Er will mich treffen im
Görlitzer Park.« Sie warf ihm den Autoschlüssel zu. »Sie fahren!«
Der
Görlitzer Park lag im
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