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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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ich bin sicher, dass Sie miteinander noch warm
werden.«
    »Das müssen
wir nicht«, erwidert Poppe mühsam beherrscht und sehr leise. »Wir packen hier
noch kurz zusammen und sind weg.«
    »Sie packen
hier gar nichts zusammen«, fauche ich ihn an. »Sie haben keinerlei polizeiliche
Befugnisse. Mit welchem Recht dringen Sie hier überhaupt ein?«
    »Das muss
ich Ihnen nicht erzählen!«
    »Oh doch,
das müssen Sie.« Ich stelle mich ihm in den Weg. »Was ist an dem Fall Steffens
so wichtig, dass sich der Verfassungsschutz dafür interessiert?«
    Mir klopft
jemand auf die Schulter. Zunächst denke ich, es ist schon wieder Palitzsch, der
vermitteln will, doch dann höre ich eine mir höchst vertraute Stimme.
    »Sieh an,
der Didi!«
    Didi! So
hat mich schon lange keiner mehr genannt. Ich fahre herum. »Chris?«
    Tatsächlich,
er ist es: Christoph Gräfenheinrich, ich fasse es nicht. Wir kennen uns seit
der Polizeischule und haben uns Anfang der siebziger Jahre als junge Männer
gemeinsam vom Verfassungsschutz anwerben lassen, weil wir wie James Bond werden
wollten. Nur dass ich schnell gemerkt habe, dass ich zum James Bond nicht
tauge. Die geheimdienstliche Agententätigkeit ließ sich nur schwer mit meinem
uncoolen Gewissen vereinbaren, und so habe ich den Dienst zwei Jahre später
wieder quittiert. Chris dagegen scheint Agent geblieben zu sein.
    »So sieht
man sich wieder«, grient er mich an. »Spielst du hier den Derrick?«
    »Mehr den
Harry«, antworte ich. »Und selbst?«
    »Eine Zeit
lang war ich im Nahen Osten«, berichtet er stolz, »aber jetzt hab ich Familie
und bin zum Sesselfurzer geworden.«
    »Und was
machst du dann hier?«
    »Meine
Arbeit, genau wie du«, weicht er aus. »Manchmal muss ich halt doch auf die
Straße.«
    »Jetzt bist
du in meinem Büro.«
    »Ja«, er
lächelt, »so kommt’s halt. Ich freue mich, dich mal wieder zu sehen. Auch
Familie?«
    Bloß keine
Reizthemen, denke ich und stelle ihm eine ganz klare, unzweideutige Frage.
»Wieso interessiert sich der Verfassungsschutz für den Mord an einer kleinen
Beamtin der Kreuzberger Steuerbehörde?«
    Natürlich
kriege ich keine Antwort. »Didi, du kennst die Regeln«, sagt er stattdessen.
»Ich kann dir das nicht sagen.«
    »Kannst du
nicht, oder darfst du nicht?«
    »Guck heute
Abend die Tagesschau. Dann weißt du ungefähr, worum es geht.«
    »Wenn es
abends in der Tagesschau läuft, kannst du es mir doch auch jetzt sagen.«
    Christoph
seufzt. »Du hast dich überhaupt nicht verändert, Didi.«
    Schön
wär’s, denke ich.
    »Also gut«,
wird er ernst. »In Moskau putschen die Generäle. Sie haben Gorbatschow
abgesetzt und halten ihn irgendwo auf der Krim fest.«
    »Und was
hat mein Fall damit zu schaffen? Wurde Swantje Steffens vom KGB umgebracht, oder was?«
    »Das hat
dich nicht mehr zu interessieren, Didi. Der Fall liegt ab sofort bei uns. Du
machst jetzt eine ordentliche Aktenübergabe …«
    »Der Kerl«,
ich zeige auf Poppe, »kriegt gar nichts von mir.«
    »Poppe ist
ein guter Mann.«
    »Dann klopf
ihm mal ordentlich auf die Schulter. Vielleicht wächst er noch.«
    »Also«,
Chris wird langsam ungeduldig. »Du setzt uns jetzt auf den aktuellen Stand
eurer Ermittlungen, und dann ist die Sache für euch gegessen, okay?«
    Nichts ist
okay, denke ich trotzig. Wieso nehmen die mir meinen Fall weg? Ich hab dafür
schon so viel einstecken müssen. Renne mit Kippa rum, damit niemand meine
Tonsur sieht, und werde von seltsamen Typen mit Browning bedroht. Und jetzt
soll ich das alles einfach abgeben? Und mir stattdessen die Tagesschau ansehen?
    »Hat keinen
Sinn, Sardsch.« Hünerbein tätschelt mir tröstend die Schulter. »Wir sind
draußen. So isses nun mal.«
    Mag sein.
Aber muss ich mich damit abfinden?
    Eine
Stunde später sind Christoph Gräfenheinrich und sein poppender Zwerg mit
unseren Akten abgezogen, und wir sitzen arbeitslos in unserem Büro.
    »Was heißt
arbeitslos?« Hünerbein reibt sich tatkräftig die Hände. »Wir haben immer doch
die Entführung der kleinen Blumenhändlertochter.«
    »Stimmt.«
Beylich benutzt Palitzschs Worte: »Das Verbrechen hinter dem Verbrechen.« Er
zieht eine Aktenmappe hervor. »Ich hab mir mal die Jugendstrafe der Fatma
Misirlioglu angeschaut. Dieser Diebstahl in der Drogeriekette vor einem Jahr.«
    »Hat sie
Parfüm geklaut?« Ich bin immer noch wütend, und entsprechend gereizt klingt
meine Stimme.
    »Lippenstift.«
Beylich sieht zu mir hoch. »Aber darum geht es nicht, Kollege. Der

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