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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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stalinistische Stil. Die
Beschlüsse des zwanzigsten Parteitags haben endgültig ausgedient. Jetzt gehen
die Säuberungen wieder los.«
    »Hinweise?«
    »Sie
wollten doch was über Deckname Cordula wissen.«
    »Und: Was
haben Sie herausgefunden?«
    »Eine
fähige Genossin. Doppelagentin. Zuletzt beim BND , vielleicht auch MAD ,
aber durchaus loyal.«
    Meyer
nickte. So ähnlich hatte er sie auch eingeschätzt.
    »Sie ist
tot.«
    »Was?!«
Meyer glaubte, sich verhört zu haben.
    »Sie wurde
umgebracht«, sagte Naumann tonlos, »die Polizei ermittelt. Ich war gestern in
ihrer Wohnung, kam aber offenbar zu spät. Das Polizeisiegel war aufgebrochen,
alle Unterlagen weg.«
    » KGB ?«
    »Ich sage
doch, die Sowjets räumen auf.« Naumann stoppte den BMW auf einem kleinen, versteckt gelegenen Waldparkplatz nahe dem Grunewaldturm und
stieg aus. »Wir wechseln hier den Wagen.«
    Meyer
quälte sich ebenfalls aus dem Auto. Die Nachricht von Cordulas Tod schockierte
ihn sichtlich. Dann bemerkte er, dass Naumann keine Handschuhe trug.
    »Machen Sie
sich keine Sorgen.« Naumann holte einen Zwanzig-Liter-Kanister aus dem
Kofferraum. »Man wird unsere Fingerabdrücke nicht finden.«
    Er begann,
das Benzin in das Innere des Wagens zu schütten. Über Sitze und Türgriffe, das
Armaturenbrett und in den Fußraum. Dann legte er eine kleine Benzinspur vom
Wagen weg und zündete ein Streichholz an.
    Keine
Sekunde später stand der BMW in Flammen.
    »Wirklich
schade drum«, bedauerte Naumann, »war ein schöner Wagen. – Kommen Sie!« Er
nahm Meyer am Arm und zog ihn mit sich fort.
    Kurz darauf
fuhren die beiden Männer in einem weinroten Golf aus dem Grunewald hinaus
zurück in die Stadt.

27    VOR DEM
DIENST-PALAIS der
Inspektion M1 in der Keithstraße parken mehrere zivile Wagen, die
eindeutig dem  VS zuzuordnen sind. In unserem Büro
packen unauffällige Männer in grauen Boss-Anzügen Kartons mit Akten voll, und
Kriminaloberrat Dr. Edmund Palitzsch sieht mit ungewohnt bleicher Miene hilflos
zu. Auf unsere fragenden Blicke hin schüttelt er nur den Kopf.
    »Irgendein
Wespennest«, murmelt er, »wir müssen in irgendwas reingetreten sein. Ich hab
keine Ahnung.«
    Tja. Wir
auch nicht.
    Ein
kleiner, drahtiger Mann fällt auf, weil er auf wahnsinnig wichtig macht und den
großen Macker spielt. Permanent gibt er mit etwas zu lauter Stimme überflüssige
Anweisungen und zeigt seinen Leuten, wie man Kartons richtig packt, »damit wir
hinterher nicht durcheinanderkommen«. Als er Hünerbein und mich entdeckt, kommt
er federnd auf uns zu.
    »Poppe«,
stellt er sich vor, »wie poppen ohne n.« Er lacht routiniert, offenbar macht er
diesen Witz jedes Mal. Der Kerl ist mir sofort unsympathisch.
    »Oder
Popper ohne r«, erwidere ich kühl und ignoriere die rechte Hand, die mir zur
Begrüßung hingehalten wird.
    »Die
Kommissare Hünerbein und Co., nehme ich an.«
    »Knoop.
Nicht Co.«, erwidere ich. »So viel Zeit muss sein.«
    »In
Ordnung, Knoop.« Jetzt wird der Kleine grimmig. »Ich merke schon, Sie sind auf
Krawall gebürstet. Aber nicht mit mir.« Er baut sich vor mir auf und spannt
seine Muskeln an. »Ich darf Ihnen sehr nachdrücklich klarmachen, dass Sie es
mit einer übergeordneten Behörde zu tun haben. Und wer mir auf die Füße tritt,
darf die Schuhe hinterher auch putzen. Und zwar mit einer Zahnbürste. Haben wir
uns verstanden?«
    Oh Gott, so
ein Idiot. Wie ich sie hasse, diese Zwerge mit ihrem übersteigerten
Geltungsbewusstsein. Kleiner Wicht, großes Ego, hat schon meine Mutter immer
gesagt. Und sie hatte recht. Dieser Poppe beweist es.
    » OB WIR UNS VERSTANDEN HABEN «, brüllt er mich an.
    Muss ich
mir das antun? Nee. Absolut nicht. Ich schnappe mir den Wicht am Kragen und
ziehe ihn dicht zu mir heran. »Mäßige deinen Ton, du Dreikäsehoch, klar?«
    »Sind Sie
wahnsinnig, Knoop.« Palitzsch zerrt an mir herum. »Lassen Sie den Mann los, um
Himmels willen.«
    Ich stelle
den Kurzen wieder ab. »Hier wird nicht gebrüllt!«
    »Hören Sie,
Herr Poppe, das ist jetzt vielleicht ein bisschen dumm gelaufen«, winselt
Palitzsch um den hochrot angelaufenen Zwerg herum. »Das kommt für uns alles
etwas überraschend, wissen Sie, wir stecken bis zum Hals in Arbeit, und meine
Leute sind entsprechend unter Druck, also nichts für ungut, nicht wahr, ich
meine, so was kommt vor, vorhin hab ich gleich gedacht, oh, oh! Der Poppe und
der Knoop – das könnte schiefgehen, gewisse Charaktertypen passen eben
nicht gleich zusammen, aber

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