Kreuzberg
Diebstahl
wurde gemeinschaftlich verübt. Mit ein paar Freundinnen. Mit ihrer …« Er
schaut in die Akte und betont das Wort mit unheilvollem Nachdruck. »… Gang .«
Als würde er von der Mafia reden.
»Beylich,
das sind Kinder. Wenn die von einer Gang reden, hat das nichts mit dem zu tun,
was wir aus amerikanischen Filmen kennen.«
»Na, es
gibt in Berlin aber auch ein paar ziemlich harte Gangs«, widerspricht
Hünerbein, der gern betont, auf was für einem harten Pflaster wir ermitteln.
»Denkt nur an die Thirty-Six-Boys vom Kotti, die Warriors aus Neukölln, oder
die Black Panthers im Wedding. Alles ganz harte Kaliber. Richtig üble
Bandenkriminalität.«
»Aber hier
haben wir es mit ein paar Mädchen zu tun, die einen Lippenstift aus einem
Drogeriemarkt gestohlen haben, das ist doch nicht zu vergleichen.« Ich winke
ab. »Oder sind die sonst schon mal auffällig geworden?«
Beylich
schüttelt den Kopf. »Das Verfahren wurde eingestellt.«
»Na also.«
»Es gibt
eine Sozialarbeiterin, die sich um die Mädchen kümmert. Henriette Cordes,
soziokulturelles Zentrum Villa Kreuzberg. Das will ich mir mal
anschauen …«
Die Tür
fliegt auf, und Inga Lenz steht im Raum. Wie immer breitbeinig, die Hände in
die Hüften gestemmt und finster dreinblickend.
»Kollegin«,
strahlt Hünerbein betont aufgeräumt. »Was können wir für Sie tun?«
»Er hat
angerufen.« Inga Lenz legt eine Tonbandkassette auf den Tisch.
»Wer? Der
Golgatha-Täter?«
»Ja.« Sie
deutet auf unseren Rekorder. »Wollt ihr’s hören?«
»Gern.«
Inga Lenz
schiebt die Kassette in den Rekorder und drückt auf Play.
»Inga, wieso fragst du so blöde«, ist eine männliche Stimme
zu hören. Sie klingt leicht verzerrt, ist aber sehr deutlich. »Du weißt es doch. Ich bin der, den du suchst. Aber es ist
schwierig geworden im Viktoriapark. Da rennen mir jetzt zu viele Rächerinnen
herum. Ich werde auf die Hasenheide ausweichen müssen. Auf den Volkspark oder
den Tiergarten. Und jedes Mal, wenn ich wieder eine flachlege, denke ich an
dich.«
Oha, denke
ich, was für eine Ansage.
»Das war
Nummer eins.« Inga drückt auf die Stopptaste. »Kurz darauf rief er wieder an.«
Sie lässt das Band weiterlaufen.
»Was hältst du vom Görlitzer Park? Da bleiben wir
wenigstens im Bezirk.«
»Was haben Sie vor?«, ist jetzt Ingas Stimme zu
hören, »hören Sie auf damit!«
»Ich dachte, du willst Satisfaktion, du Lesbe.
Einmal dabei sein. Vielleicht kriegst du mich ja doch!«
»Ganz bestimmt, du perverses Schwein. Verlass
dich drauf!«
»Na also, das ist doch ein Wort. Ich erwarte dich
an der alten Kiesgrube. In einer halben Stunde. Bis dann.«
»Das war’s.«
Inga Lenz nimmt die Kassette wieder aus dem Rekorder.
»Und
weiter?«, frage ich. »Sind Sie hingegangen?«
»Sicher.«
Inga Lenz verzieht verächtlich das Gesicht. »Aber da war er nicht mehr, die
feige Sau.«
»Da
arbeitet sich einer an Ihnen ab, Inga.« Hünerbein erhebt sich. »Sind Sie
sicher, dass es der Golgatha-Täter ist?«
»Ich dachte
auch, vielleicht sind es Kollegen.«
»Kollegen?«
Ich starre sie an. »Inga, das wäre –«
»Eine
Schande, finde ich auch«, unterbricht sie mich scharf. »Aber irgendwie auch typisch
Mann, oder?« Sie steckt die Kassette wieder ein. »Ihr habt doch das Band von
dem Anrufer aus dem Viktoriapark. Der, der die Leiche gemeldet hat. Ich wollte
die Stimmen mal miteinander vergleichen.«
»Ja, Pech«,
ich hebe bedauernd die Hände, »da kommen Sie etwas zu spät. Unsere gesamten
Unterlagen zum Swantje-Steffens-Fall hat der VS beschlagnahmt.«
»Der
Verfassungsschutz?« Inga blinzelt mich wütend an. »Verarsch mich nicht, klar?«
»Aber ganz
und gar nicht.« Hünerbein guckt so unschuldig, wie er nur kann. »Der Kollege
Knoop sagt leider die Wahrheit. Wir sind auch konsterniert. Aber manchmal kann
man gar nicht so blöd denken, wie es kommt.«
»Damaschke
müsste noch eine Aufzeichnung haben«, meint Beylich. »Das Nagra-Band.«
»Wenn bei
ihm nicht auch schon der Verfassungsschutz war.« Ich greife zum Telefon und
wähle die Nummer der Kriminaltechnik. Damaschke geht nach dem zweiten Klingeln
ran.
»Gut, dass
du anrufst«, sagt er aufgeregt. »Ich wollte dich auch gerade anrufen.«
Mir schwant
Böses. »Sind sie jetzt bei dir?«
»Wer?«
»Die Typen
vom Verfassungsschutz.«
»Nö.«
Damaschke lacht. »Was sollten die hier wollen? Ich bin ein anständiger
Staatsbürger.«
»Falls Sie
kommen«, schärfe ich Damaschke ein,
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