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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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schilderte ihren Besuch im Wohlfahrtsbureau und Kormanns Verhalten. Sie verschwieg auch nicht ihre empörte Reaktion, und als sie geendet hatte, fürchtete sie, der Domherr könne wieder einen Herzanfall erleiden. Doch dann sah sie, dass er lediglich vor Lachen nach Luft ringen musste.
    »Ondulierter Affe!«, keuchte er und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Oh, Antonia, du beständige Quelle meiner Erquickung!«
    »Sie hegen keine freundlichen Gefühle für den Kommissär?«
    Waldegg lachte noch immer und schüttelte nur wortlos den Kopf. Dann beruhigte er sich allmählich und ging zu dem Tablett mit den Getränken.
    »Wir werden einen Portwein miteinander trinken, Mademoiselle! Ein kleines Schlückchen wird dir nicht schaden.«
    Sie nahm das Glas entgegen und nippte vorsichtig daran. Der Port war süß und klebrig, aber nicht unangenehm. Zufrieden schwenkte sie die braune Flüssigkeit hin und her.
    »Woher kennen sie den Mann, Herr Waldegg?«
    »Er gehörte einst derselben Bruderschaft an wie ich, Kind. Vor Jahren allerdings. Jetzt würde er nicht mehr zugelassen werden, das hat er sich gründlich verscherzt.«
    »Bruderschaft? Einem Orden? Kormann?«
    »Ich muss ein wenig ausholen, Antonia. Es ist kein Orden, dem ich angehöre, sondern man nennt es Loge. Im Mittelalter, als die großen Kathedralen gebaut wurden, hatte jede Baustelle ihre Bauhütte, die so genannte Loge. Das war zum einen die Unterkunft der Handwerker, zum andern aber auch ihre geistige Heimat. Gute Handwerker waren oft unterwegs, ihre Kenntnisse wurden im ganzen Land gebraucht. Vor allem jene, die die Kunst beherrschten, aus dem freien Stein, also den aus dem Fels gehauenen, unbearbeiteten Stücken, die passgenauen Mauersteine, die Säulen und Kapitelle, das Maßwerk und die Figuren zu schlagen. Steinmetze und Bildhauer sind Künstler und Techniker zugleich. Sie bildeten aufgrund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten eine Gemeinschaft mit eigenen Regeln und einer ganz eigenen Ethik, die mit ihrer Arbeit an den mächtigen Gebäuden zusammenhing.«
    »Hat das was mit dem Baumeister zu tun, den Sie so gerne zitieren?«
    »Ja, Antonia, genau damit hat es zu tun. Die, die den freien Stein bearbeiteten, nahmen im Laufe der Zeit auch andere Männer in ihre Logen auf und führten sie in ihre Lehre ein. Nicht in die handwerkliche, sondern in die geistige. Seither nennen sich diese Bruderschaften Freimaurer. Wir stammen aus allen Schichten und allen Konfessionen. Es gibt Freimaurer in allen Ländern, und unserer höchsten Ziele sind Menschlichkeit und Toleranz.«
    »Na, wie ist denn in eine solche Gemeinschaft dieser Kormann geraten?«
    »Oh, so weit lagen wir gesinnungsmäßig nicht auseinander. Kormann war einer der ersten Jakobiner in Köln, und die hatten in ihrer Anfangszeit einige verwandte Ideen. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – du verstehst?«
    »Ja, aber sie setzten sie weder mit Menschlichkeit noch mit Toleranz um.«
    »Damals, vor 1789, war das noch nicht erkennbar. Kormann kam durch Susannes Vater, Daniel Bernsdorf, zu uns. Bernsdorf war übrigens ein sehr begabter Bildhauer, von ihm hat deine Freundin ihr zeichnerisches Talent geerbt. Doch zurück zu Kormann. Er und der junge Bernsdorf waren zwar Freunde, debattierten aber beständig auf das Leidenschaftlichste miteinander. Vor allem über den Dom. Schon damals gab es diese Kontroverse – abreißen oder fertig bauen? Aber im Jahr neunzig verschwand Kormann plötzlich. Niemand wusste, wohin er gegangen war. Weder seine Familie noch seine Freunde und Bekannten hatten etwas von ihm gehört. 1794 tauchte er dann als Berater der Franzosen wieder in der Stadt auf, sichtlich vermögend und überaus geschätzt von der neuen Verwaltung. Er bekleidete einige interessante Posten. Unter anderem war er für die Requirierung der Kunstschätze in den Kirchen und Klöstern zuständig. Ich kam erst zwei Jahre nach dem französischen Einmarsch nach Köln zurück, und just da war er bei Mutter Ottilia in Sankt Mauritius vorstellig geworden. Sie sandte mir einen händeringenden Hilferuf. Er hatte, auf die dir bekannte charmante Art, Inventarlisten von ihr verlangt. Es gab im Kloster etliches an Gold, Silber, Ornaten, Weißzeug, Möbeln, Büchern und Gemälden. Er sprach mit den verstörten Nonnen nur Französisch, stellte sich dumm, wenn sie ihn nicht verstanden, und kehrte ganz allgemein den amtlichen Kommissär heraus.«
    »Wiesen Sie ihn in seine Schranken?«
    »Ja, mein Kind. Und ich bedauere

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