Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
heute zutiefst, zu jenem Zeitpunkt weder über deine Courage noch über deinen exquisiten Wortschatz verfügt zu haben.« Der Domherr grinste. »Er gab bereits in diesen Tagen das geschmackvolle Bild eines ondulierten Affen ab.«
»Ich vermute, seither kreuzten sich ihre Wege nicht mehr.«
»Einmal noch, als Cornelius vor dem Kriminalgericht stand. Kormann gehörte zu den Geschworenen, und ich appellierte vergebens an ihn, um alter Zeiten willen Gnade walten zu lassen. Man verurteilte Cornelius zur Kettenstrafe.«
»Es war vermutlich sogar ein Fehler. Ihr Sohn... Ich dachte, er befindet sich auf See?«
»Eine andere Geschichte, Liebes.«
»Verzeihen Sie, ich lenke Sie mit meinen dummen Fragen ab. Jener Kormann, den Mademoiselle Charlotte zärtlich Frédéric nennt...«
»... und der als schlichter Kay Friedrich, Sohn eines engstirnigen Tuchhändlers zur Welt kam...«
»... wechselt gerne die Farbe wie ein Kamel.«
Waldegg zwinkerte ihr zu.
»Kamele, meine junge Dame, sind höckertragende Wüstentiere, die gewöhnlich staubgrau sind und bleiben. Ein Chamäleon hingegen gehört zu den Echsen und passt seine Hautfarbe aus Gründen, die es nur selbst kennt, gerne dem Untergrund an, auf dem es sitzt.«
»Meine Bildung weist bedauerliche Löcher auf.«
»Die sich aber in geradezu erstaunlicher Geschwindigkeit zu schließen beginnen. Die Vorstellung eines farbwechselnden Kormanns gefällt mir außerordentlich.
»Er wird sich nun dem vornehmen Hintergrund eines Stadtpalais anpassen, denn er hat ein Haus am Neuen Markt gekauft. Die Magistrate aber führen ihre Tätigkeit unbezahlt aus, nicht wahr?«
»Es sind Ehrenämter.«
»Man könnte überlegen, woher cher Frédéric das Geld dafür hat.«
»Könnte man. Sollte man aber nicht.«
Antonia schwieg nachdenklich und trank dann ihren Portwein aus. Es mochte vernünftig sein, manchen Schlamm nicht aufzurühren, überlegte sie. Aber ein Auge würde sie auf das aparte Pärchen halten, das sich in Kürze zu vereinigen gedachte. Ein weiterer Gedanke, der sich aus den Gesprächen des Nachmittags ergeben hatte, beschäftigte sie.
»Herr Waldegg, Madame behauptete, sie kümmern sich um alte Bedienstete, zum Beispiel jene Irmtraut.«
»Sie hat viele Jahre meinen Haushalt geführt. Ich habe ihr eine Pension ausgesetzt. So ist es allgemein üblich.«
»In welcher Beziehung standen Sie denn zu den Nonnen von Sankt Mauritius? Jakoba erwähnte einmal, sie seien dort häufig zu Gast gewesen.«
»Natürlich. Zum einen hatte ich als Domkapitular die Aufgabe, mich mit der Verwaltung ihrer Pfründe zu befassen, und zum andern mochte ich Mutter Ottilia. Sie ist eine sehr kultivierte Frau. Sie lud mich jedes Mal zum Essen ein, und Jakobas Küche war schon damals bewundernswert.«
»Dann frage ich mich, warum Sie es zulassen, dass die alten Damen in einer derartigen Armut leben müssen.«
»Aber das tun sie doch nicht, Kind. Ich habe, als das Kloster aufgelöst wurde, dafür gesorgt, dass sie auf einem der Güter ihrer Pfründe vor der Stadt ein dauerhaftes Wohnrecht erhalten. Es ist ein schönes Häuschen, und sie freuten sich darauf, im Garten arbeiten zu können.«
»Sie leben in der Thieboldsgasse, in einem völlig heruntergekommenen, feuchten Verschlag und haben kaum mehr drei angeschlagene Tassen, aus denen sie ihren dünnen Muckefuck trinken.«
»Antonia, woher weißt du das?«
»Ich fand sie, als ich Schwester Deodata suchte.«
»Gott der Gerechte! Ich werde mich gleich morgen darum kümmern. Da muss etwas falschgelaufen sein.«
»Das wäre sehr gütig von Ihnen. Sie dauerten mich.« Antonia stand auf, um einige Lampen anzuzünden, denn die Dämmerung ging in die Dunkelheit über. Als sie sich setzte, fiel ihr Blick auf den Moniteur , den der Domherr gelesen hatte. Dem Frieden von Tilsit, der Preußens Niederlage besiegelte, galt die Schlagzeile. »Haben Sie inzwischen von Leutnant David gehört, Herr Waldegg?«
»Nur ein kurzes Schreiben von Pastor Dettering. Es traf erst vorgestern ein. Ich bin ihm dankbar dafür. Mein Brief an David hat lange, viel zu lange gebraucht, um Berlin zu erreichen. Er hat ihn nicht mehr erhalten, aber man hat ihn an die Detterings weitergeleitet. Der Pastor schrieb, der Junge sei aus dem Militärdienst entlassen worden, wie du es erwartet hattest, und zu einer Wanderung aufgebrochen.«
»Er sollte sich bei Ihnen melden.«
»Er wird es tun, Antonia. Wahrscheinlich braucht er eine Weile, um seinen verletzten Stolz zu
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