Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Sie, werden die auch verhindern, dass sich unpassende Bemerkungen in meiner Kehle bilden?«
»Man hat einen Zauber hineingewirkt, mein Kind. Er wird dafür sorgen, dass nur lyrischer Nektar und gesellschaftlich reinstes Ambrosia deine Lippen verlässt.« Er legte sie Antonia um und schloss die Kette mit einer goldenen Rosette. »Jetzt ist deine Erscheinung vollkommen!«
Sie hatte sich gerade bedankt, als schon die ersten Gäste eintrafen. Susanne stürmte auf sie zu, umarmte sie und begrub sie förmlich unter einem Korb voll Seidenblumen. François Joubertin hingegen brachte echte Rosen und überreichte sie mit einem gewagten zweisprachigen Gedichtchen, das ihr einen Teint wie eine Plüsch-Prume 7 bescheinigte, und in dem sich une chante melodieuse auf des Mieders Haken und Öse reimte. Auch Doktor Joubertin und seine Gemahlin waren gekommen. Er war ein angesehener Notar und hatte viele Geschäfte mit dem Domherrn abgewickelt, sie war eine eifrige Unterstützerin der Société de la charité maternelle. Die beiden älteren Bernsdorfs trafen ein, begleitet von Sohn und Schwiegertochter sowie Susannes Cousinen Augusta und Paula. Die Bankiersfamilie Schaaffhausen, die in der Nachbarschaft wohnte, begleitet von Sohn und Tochter, Wittgensteins mit ihrem Sohn Philipp und ein weiterer älterer Herr, der wie Waldegg einst zum Domkapitel gehört hatte.
Man ging zu Tisch, eine ungezwungene Runde, die sich lebhaft unterhielt – bis sich Hermann Waldegg kurz vor dem Dessert erhob, um seine Rede zu halten.
Lediglich Susanne und Doktor Joubertin waren nicht überrascht von der Ankündigung, Antonia Helena Lindenborn-Waldegg sei die Tochter der Hausherrin.
Elena hatte ihre Hände so fest gefaltet, dass sie weiß an den Knöcheln wurden. Antonia bemerkte es und ging zu ihr hin, um ihr die Hand auf die Schulter zu legen. In die Stille, die nach den Worten des Domherrn herrschte, sagte sie leise, doch so, dass es jeder verstehen konnte: »Es ist siebzehn Jahre her, meine Damen und Herren. Wer unter Ihnen in dieser Zeit keine Sünde begangen hat, der hebe jetzt den ersten Stein!« Dann reichte sie Elena ihr Tüchlein, damit sie sich die Tränen abtupfen konnte.
»Es ist mehr die Überraschung, Fräulein Antonia, keine Verurteilung oder Anschuldigung. Ich bin sicher, es verbirgt sich eine lange, traurige Geschichte dahinter, die heute ihr glückliches Ende gefunden hat«, verkündete Madame Joubertin. Sie nickte Elena zu und brachte den Toast aus: »Ich trinke auf Mutter und Tochter. Ein schönes Paar haben Sie da in Ihrem Haus, Herr Waldegg.«
Die Spannung löste sich, und man erhob die Gläser.
Ja, es würde Getuschel geben, aber das freimütige Bekenntnis hatte viel Wind aus den Segeln genommen, und bald darauf war die Stimmung wieder fröhlich und die Unterhaltung angeregt. Nach Tisch setzte Augusta sich ans Klavier, um ihre Fähigkeit als Pianistin zu zeigen. François gelang es, Antonia ein wenig zur Seite zu ziehen.
»Hübsche Überraschung, Mademoiselle.«
»Ein bisschen gewagt, ich weiß, aber Ihre Maman war wundervoll.«
»Sie ist wundervoll, und ich liebe sie sehr. Darf ich ihr von Toni erzählen?«
»Tun Sie das. Ich denke, sie ist auf unserer Seite.«
»Sie hat einen ausgeprägten Sinn für das Lächerliche, und Sie können ganz sicher sein, wenn irgendjemand in ihrer Gesellschaft es wagen sollte, auch nur einen Hauch von Verachtung zu äußern, wird sie ihn zurechtzuweisen wissen. Fast so gut wie Sie, Mademoiselle.«
Antonia lächelte ihm dankbar zu.
»Übrigens habe ich noch einen kleinen Leckerbissen für Sie. Mein Studium der Taufregister war verhältnismäßig schnell erfolgreich. Madame Kormann, ehemals Pfeifer, wurde auf dem Hungsrücken geboren, der Vater ist unbekannt, die Mutter stadtbekannt. Ich habe mir auch die Polizeiakten durchgesehen. Dort finden wir Madame Kormann, ehemals Pfeifer, bereits mit zehn Jahren verzeichnet – eine erfolgreiche kleine Diebin. Drei Jahre später gibt es einen Hinweis auf öffentliche Prostitution im Zusammenhang mit einem Raubdelikt. Danach allerdings scheint Besserung eingetreten zu sein. Sie wird nicht mehr erwähnt.«
»Nicht mehr erwischt«, korrigierte sie ihn.
»Pardon, Sie haben selbstverständlich Recht.«
»Was flüstert ihr zwei hier so in den Ecken herum? Habt ihr Geheimnisse? Ich will sie wissen!« Susanne war hinzugetreten, Philipp im Schlepptau. François und Antonia wechselten augenblicklich das Thema und ersetzten es durch eine belanglose
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