Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Gebühr strapazieren. Dass ein Freund Hervés froh war, seine Zimmer während seiner Abwesenheit unterzuvermieten, hatte sich als die beste Lösung erwiesen.
Es war ein ungewöhnliches Leben, das Cornelius hier kennenlernte, und er genoss es in vollen Zügen. Tagsüber arbeitete er mit Hervé und Bartholomé an den Manuskripten, legte fest, welche Zeichnungen an welche Stelle gehörten und in welcher Aufmachung der Druck erfolgen sollte. Auf Anraten seiner Freunde nahm er Kontakt zu Wissenschaftlern, Forschern und Professoren auf, um weitere interessante Themen zu suchen, die in deutscher Sprache einen Absatzmarkt finden konnten. Das war schwieriger als gedacht, denn wissenschaftliche Publikationen wurden für Fachleute geschrieben und waren auf Grund des verwendeten Jargons dem interessierten Laien unzugänglich. Oder es gab gemeinverständlich geschriebene Traktate, aber sie strotzten häufig von kruden Theorien und Hypothesen, die man besser nicht verbreiten sollte. Bedauerlicherweise hatten seriöse Autoren Bedenken, ihre Ausführungen könnten mit dererlei Schund in einen Topf geworfen werden. Aber zwei junge Akademiker, ein Geologe und ein Botaniker, die etwas Entsprechendes veröffentlichen wollten, waren nun gefunden. Daneben besuchte Cornelius Buchhandlungen, andere Verleger, Druckereien und Hersteller von Druckerpressen, um sich einen Überblick über die Beschaffungsund Absatzwege und die neueste Technik zu verschaffen.
Viele Stunden verbrachte er auch in der Bibliotheque nationale, wo er versuchte, den Weg der Unterlagen nachzuvollziehen, die aus dem Archiv und dem Domschatz nach Paris gebracht worden waren. Er suchte die ehemaligen Volksrepräsentanten Jaubert und Hausmann auf. Sie waren hilfsbereit, doch an Details erinnerten sie sich nicht mehr. Schon gar nicht an eine unbedeutende Lederrolle mit einer Architekturzeichnung.
Dennoch war das Gespräch mit ihnen fruchtbar, denn mit einem süffisanten Lächeln bemerkte Jaubert: »Ein sehr plötzliches Interesse ist an diesen Plänen entstanden, Monsieur. Vor einem knappen Jahr haben wir eine Anfrage erhalten, die wir negativ bescheiden mussten. Ein Monsieur Kormann, ebenfalls aus Köln, wollte etwas über ihren Verbleib wissen. Sind Sie mit dem Herrn bekannt?«
»Flüchtig. Es verblüfft mich tatsächlich, wieso ausgerechnet er sein Augenmerk auf diese Pläne richtet. Er ist nicht gerade als Freund der Kathedrale bekannt.«
»Er... nun, wir arbeiteten damals mit ihm zusammen. In gewisser Weise. Zu Zeiten war er recht nützlich. Aber er erschien mir immer ein Mann zu sein, der sich nach der günstigsten Position richtete.«
»Ein Opportunist, ich weiß. Welche Aufgabe hatte er zu Ihrer Zeit in Köln?«
»Oh, er war mit einem der Direktoren bekannt und hatte sich angeboten, unsere Truppen zu begleiten, als wir Köln in Besitz nahmen. Als Berater der Militärregierung sozusagen. Man war dafür ganz dankbar, denn er beherrschte beide Sprachen und kannte sich in den Interna der Stadt aus.«
»Vor allem wusste er, wo Kunstschätze zu finden waren.«
»Ah, Monsieur, hadern Sie nicht. Die wertvollsten und schönsten Stücke sind wohlverwahrt in Museen und Archiven und stehen somit der Allgemeinheit zur Verfügung. Ganz anders als in den dunklen Kellern und Krypten der Kirchen und Klöster, wo vieles das Tageslicht nie gesehen hat, verborgen vor den entzückten Augen der Betrachter.«
»Nein, ich hadere nicht. Es hatte auch sein Gutes, die Umwälzungen, und manche Verkrustung ist aufgebrochen.«
»So ist das wohl. Ich bedauere, Ihnen nicht helfen zu können, aber einen Rat will ich Ihnen geben. Sie suchen eine Gebäudezeichnung. Fragen Sie bei unseren Architekten nach. Wailly hat damals in der Kunstkommission mitgearbeitet. Wenn jemand einen Blick für derartige Pläne hatte, dann er.«
Es kostete Cornelius, Hervé und Bartholomé einige spitzfindige Nachforschungen, den genannten Architekten aufzufinden, und als sie schließlich eine viel versprechende Spur fanden, endete sie an einem Grabstein. Angehörige wollten nicht auftauchen, aber angeblich gab es eine Witwe, die vor einigen Jahren hin und wieder an seinem Grab erschienen war. Aber die war wie vom Erdboden verschwunden, möglicherweise hatte sie Paris verlassen.
Die zierliche schwarze Katze trottete jetzt über den gepflasterten Hof und rieb ihren Kopf an Cornelius’ Knie. Er beugte sich zu ihr und kraulte sie zwischen den Ohren. Heute war sie gutmütig, die Kleine, aber er hatte sich auch
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