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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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»Paris ist ganz lustik. Wir schicken dir unsern halben Sold. Damit kommst du gut her. In Liebe Jupp und Franz.«
    Antonia war zutiefst gerührt. Was sie ihr geschickt hatten, war der halbe Sold des ganzen letzten Jahres. Sie verstaute die Münzen sorglich in zwei Leibgürteln, die sie und Maddy unter der Kleidung trugen.
    Für den General hinterließ Antonia also ein paar erklärende Worte und dankte ihm für seine fürsorgliche Betreuung. Wohin sie aber reisen wollten, verriet sie ihm nicht.
    So zockelten sie über die Landstraßen, und zwei Mal waren sie unterwegs in heftige Sommergewitter geraten und nass wie die jungen Hunde geworden. Dennoch genoss Antonia das Leben auf den Straßen noch immer, streifte wie früher durch die Felder, handelte frisches Obst und Gemüse bei den Bauern ein, sammelte Beeren und Pilze in den Wäldern und machte sich wenig Sorgen über den nächsten Tag. Die Schnitter waren allenthalben bei der Mahd, und sie liebte es, im Heu zu schlafen, nur den sternenbesäten Himmel über sich. In den Nächten aber, als die Tränen des Laurentius vom Firmament tropften, trauerte sie und hielt stumme Zwiesprache mit dem Domherrn. Eigentlich fürchtete sie, er würde sie mahnen zurückzukehren, aber er tat es nicht, sondern schien sich darüber zu amüsieren, dass sie wieder ihr Wanderleben aufgenommen hatte. »Meine Einvierteltochter«, hörte sie ihn manchmal raunen. »Du wirst schon noch erwachsen werden.« Nicht zuletzt begegnete ihr auch die Stimme von Pater Emanuel, der ihr einst gesagt hatte: »Abschiednehmen schmerzt und hinterlässt Narben im Herzen. Tränen weichen sie wieder auf. Vergiss nicht, kein Abschied ist für immer. Auch der Tod ist kein endgültiges Scheiden. Niemand ist fern von dir, wenn du dich seiner mit Liebe erinnerst.« Aber weinen konnte sie nicht. Sie verschloss nach solchen Nächten die Trauer in ihrem Herzen, und nur Maddy bemerkte die Schatten in ihren Augen. Aber sie unterließ jede Bemerkung dazu.
     
    Die Arbeit in der Küche weckte bei Antonia Erinnerungen an die Zeit, in der sie mit Elisabeth das Essen für die Soldaten gekocht hatte, und darum kamen die raubeinigen Fuhrknechte an diesem Tag in den Genuss einer köstlichen Kartoffelsuppe und beschwerten sich nicht über das altbackene Brot.
    »Du willst hierbleiben, Toni?«, fragte Maddy, nachdem sie drei Tage lang die Küche versorgt hatten und abends müde in ihre Betten gekrochen waren.
    In keinem der bisher aufgesuchten Orte hatten sie auch nur im Entferntesten Erfolg gehabt, lediglich Dierdorf blieb als Möglichkeit bestehen. Darum meinte Antonia: »Nur ein paar Tage. Es ist nicht weit bis nach Dierdorf, ich werde morgen hinreiten und schauen, ob ich etwas herausfinde. Der Wirt leiht mir einen Sattel für das Pferdchen.«
    »Wenn du nichts findest, machen wir uns auf den Weg nach Paris?«
    »Ja, Maddy.«
    »Du könntest zurück nach Köln.«
    »Nein, Maddy.«
    Seufzend drehte sich die kleine Zofe um und zog die Decke über sich. Antonia aber starrte in die Dunkelheit. Manchmal dachte sie an Köln. Es würde bestimmt Spaß machen, mit Cornelius in der Druckerei zu arbeiten. Oder wieder mit Susanne im Bernsdorf’schen Laden. Aber ihr graute davor, im Haus des Domherrn zu leben, und eine eigene Wohnung würde man ihr nicht gestatten. Besser, sie fing ein völlig neues Leben an. Aber eines wollte sie am nächsten Tag noch machen – Susanne einen Brief schreiben und darin ihre Pläne erwähnen.
     
    Das Pferdchen, das einige Tage auf der Weide gestanden hatte, war lebhaft und ausdauernd, die Strecke brachte sie nach zwei Stunden hinter sich. Der Sommer allerdings war endgültig vorbei, und ein böiger Herbstwind pfiff über die Höhen des Westerwaldes. Er trieb dunkle Wolken vor sich er, und mehr als einmal wandte Antonia ihren Blick kritisch gen Himmel. Sie hatte keinen Umhang mitgenommen und den Sommer über nicht vermisst. Aber es war nötig, sich für die lange Reise nach Frankreich mit warmer, vor den Wettern schützender Kleidung zu versorgen.
    Ihre Suche führte auch in Dierdorf nicht zum Erfolg. Der Archivar, der ihr geschrieben hatte, es gäbe einen Architekturplan, legte ihr einen Kupferstich vor, der zwar die Doppeltürme des Kölner Doms zeigte, aber natürlich nicht das Originaldokument war. Sie bedankte sich höflich für seine Mühen und machte sich, nachdem sie für sich und Maddy weite Umhänge bei einem Mantelschneider erstanden hatte, auf den Rückweg. Es war schon später Nachmittag, und es

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