Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
Herbert, das tust du. Wer sind die vier?«
    In der Woche, die sie im »Tanzenden Bären« lebte, hatte sie sich die Gesichter ganz gut eingeprägt. Sie kannte den Müllerknecht, der morgens sein Kommen mit einem gepfiffenen Liedchen ankündigte. Sie kannte den sauertöpfischen Korbflechter mit der müden Mähre, die Bäuerin, die ihre Apfelernte zum Markt fuhr und ihr einen Topf Apfelkraut geschenkt hatte, den Scherenschleifer mit dem verschlagenen Gesicht, den pockennarbigen Kartoffelbauern und die schwarzfingrigen Köhler mit ihren Ladungen von Holzkohle und Teerpech, die sie zum Rhein transportierten. Und natürlich die Fuhrknechte, die täglich vom Rhein zum Höhenweg bei ihnen Rast machten. Diese vier waren bisher nie in der Schankstube gewesen, aber sie schienen keine Fremden zu sein, denn niemand beäugte sie, obwohl der Neger recht auffällig war.
    »Das braucht dich nicht zu interessieren, Toni. Ich kümmere mich um sie.«
    »Fürs Erste, Bärenwirt. Aber wir reden noch darüber.«
    Maddy allerdings erzählte sie später von dem Überfall und dem seltsamen Zusammentreffen.
    »Räuberbande?«
    »Zumindest keine ganz gesetzestreuen Bürger. Es wird Zeit, von hier zu verschwinden.«
    Doch das erwies sich als zunehmend schwierig. Sturm und Regen ließen nicht nach, im Gegenteil, sie wurden heftiger. Die wenigen Fuhrleute, die am nächsten Tag Station bei ihnen machten, berichteten von umgestürzten Bäumen und Schlammlawinen, von aufgeweichten Wegen und gebrochenen Rädern und Deichseln. Die kommenden Tage stand der Bärenwirt lange Stunden in seiner Schmiede, um eisenbeschlagene Reifen zu richten, und seine Söhne, bullig wie er und meist ziemlich maulfaul, reparierten geborstene Holzteile. Selbst als die Herbststürme nachließen und im milden, sonnigen Wetter die Laubbäume allmählich ihr buntes Kleid anlegten, waren viele Wege weiterhin schwer zu passieren. Antonia und Maddy beratschlagten Anfang Oktober, was sie nun tun sollten.
    »Das Problem ist, dass wir nicht mehr vor dem Wintereinbruch nach Paris kommen. Es sind fast vierhundert französische Meilen dorthin. Das Wetter wird schlechter und die Tage kürzer. Wir schaffen mit dem Wagen kaum zehn Meilen am Tag, und Rast müssen wir auch einplanen. Das heißt, wir werden über zwei Monate bis dorthin brauchen.«
    »Wir bleiben also hier?«
    »Wir werden den Winter über bleiben. Der Wirt hat nichts dagegen. Wir müssen nur auf diese vier Männer achten, die hier Abend für Abend ihr Geld verprassen.«
    »Sie sprechen eine komische Sprache, wenn sie sich miteinander unterhalten.«
    »Rotwelsch. Den einen mit der Nickelbrille nennen sie Breloer, der Schwarze ist Xavier, der Schwarzbärtige wird Nick gerufen, den mit der Narbe über dem Auge bezeichnen sie einfach als Brecher.«
    »Richtig, so viel habe ich auch mitbekommen. Aber, Toni, wenn sie wirklich Räuber sind, wie du glaubst, warum meldet sie dann keiner den Behörden?«
    »Entweder weil sie ihrem Gewerbe hier nicht nachgehen, oder weil die Leute feige sind. Ich werde sie übrigens auch nicht anzeigen, solange ich hier wohne.«
    »Macht einen das nicht zum Komplizen?«, gab Maddy zu bedenken.
    »Vermutlich schon.«
    »Gut, dann gehen wir jetzt also unter die Räuber«, kicherte die kleine Zofe übermütig.

Unter Räubern
     
    Alles fühlt der Liebe Freuden,
Schnäbelt, tändelt, herzet, küsst;
Und ich soll die Liebe meiden,
Weil ein Schwarzer hässlich ist.
    Zauberflöte, Schikaneder
     
     
    Der Winter war streng im Westerwald, und Reisende kamen seltener am »Tanzenden Bären« vorbei. Doch trotz Schnee, Frost und vereisten Wegen wurden noch immer notwendige Waren transportiert, und das Wirtshaus war gut besucht. Vor allem gab es etliche, die hier ihr Winterquartier aufgeschlagen hatten. Alle Zimmer waren belegt, meist von drei oder gar vier Personen. Es waren jene, die in den freundlicheren Monaten mit einem fahrenden Gewerbe ihr Geld verdienten und keinen festen Wohnsitz ihr Eigen nannten. Unter ihnen auch der Breloer und seine Bande.
    Antonia hatte ein Auge auf die vier, die keinem besonderen Handwerk oder Handel nachzugehen schienen. Xavier arbeitete gelegentlich in der Schmiede mit, sie verhielten sich weitgehend unauffällig, und Gerüchte über Einbrüche oder Überfälle hörte man nicht. Doch mochten sie vielleicht ihretwegen etwas vorsichtiger sein, denn an einem verschneiten Dezembernachmittag, als Antonia alleine in der Küche arbeitete und Fische mit einem scharfen Messer in

Weitere Kostenlose Bücher