Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
habe mit Carl Anton Farina gesprochen, Elena. Er ist der zuständig Magistrat für die Hospitäler und hat mir eine Zusage gemacht.«
»Dann bekommen wir also das Haus?«
»Ihr bekommt es. Aber es wird einige Arbeit kosten. In einem guten Zustand ist es nicht.« Hermann Waldegg und seine Frau saßen beim Tee zusammen und berieten, wie man ihre neue Idee in die Tat umsetzen könnte. Sie war geboren aus einer nicht unerheblichen Krise, die einige Wochen lang im Haus des Domherrn geschwelt hatte. Als Elena nämlich eines Tages von einem Besuch bei einer Bekannten nach Hause gegangen war, hatte sie eine vollkommen heruntergekommene, hochschwangere Frau auf der Straße um Hilfe angefleht. Statt ihr einige Franc in die Hand zu drücken, nahm sie die Bedauernswerte in einer spontanen Anwandlung mit und brachte sie in einer Dienstbotenkammer unter. Dort entband sie kurz darauf ein schwächliches Geschöpf, das nur wenige Stunden lebte. Auch die Mutter folgte ihm bald. Aber zuvor hatte sie ihre erbarmungswürdige Geschichte erzählt. Sie war eine Soldatenfrau, ihr Mann gefallen, ihre Familie verarmt. Arbeiten konnte sie nicht mehr, sie war zu krank und zu schwach gewesen. Zum Betteln aber war sie zu stolz. Wie sich zeigte, war sie kein Einzelfall. Aber sie war der erste, mit dem Elena in engsten Kontakt gekommen war.
Von diesem Erlebnis war sie zutiefst betroffen. Sie wanderte nachts schlaflos durch das Haus, kniete stundenlang betend vor ihrem kleinen Hausaltar, aß kaum noch einen Bissen und erging sich in Anfällen hektischen Aufräumens. Milli, die alte Katze, strich verstört durch die Räume und verweigerte das Futter. Waldegg versuchte, Elena zu beruhigen, sie abzulenken und sie aufzuheitern, aber nichts davon zeigte eine Wirkung. Seine Frau schien sich selbst aufzuzehren in ihrem Gram um jene Unbekannte.
Es war Jakoba, die ihm eine praktische Lösung anbot, um Elena von ihrem hysterischen Benehmen zu erlösen. Sie bat den Domherrn um ein vertrauliches Gespräch, und er besuchte sie, während seine Gattin sich in ihrem Zimmer zu inbrünstigen Gebeten zurückgezogen hatte, in der Küche.
»Herr Waldegg, verzeihen Sie, wenn ich zu persönlich werde, aber Elena ist doch einige Jahre jünger als Sie«, begann sie, nachdem sie ihm einen starken Kaffee serviert hatte, so wie er ihn bevorzugte.
»Sie ist dreiundzwanzig Jahre jünger als ich, das wissen Sie ganz genau. Es ist uns beiden sehr bewusst, dass ich auf die sechzig zugehe und sie erst Mitte dreißig ist.«
Jakoba nickte. Trotz des großen Altersunterschieds war die Ehe glücklich. Bislang.
»Diese Frau, die ihr Kind verloren hat, mag ihr diese Tatsache aber wieder deutlich vor Augen geführt haben.«
Waldegg schloss die Hände um die Tasse. Er verstand die Botschaft zwischen den Worten. Da Jakoba eine alte Frau war, die er schon lange kannte und schätzte, sprach er geradeheraus aus, was sie damit ausdrücken wollte.
»Sie meinen, sie leidet unter unserer Kinderlosigkeit?«
»Wäre das nicht denkbar?«
»Ich habe in eine ähnliche Richtung gedacht, Jakoba. Aber ich fürchte, daran ist nichts mehr zu ändern.« Mit einem winzigen Zwinkern fügte er hinzu: »Es hat an Versuchen nicht gefehlt.«
»Sie sind ein großes Glück für Elena, Herr Waldegg. Sie haben ihr ein Heim gegeben, Ihren Schutz und Ihre Liebe. Aber sie ist Disziplin und Arbeit gewöhnt. Es fehlt ihr, wenn ich ehrlich sein soll, eine Aufgabe. Merken Sie es nicht? Sie stickt und stickt und räumt und putzt und beschäftigt unablässig ihre Hände. Aber ich denke, eine Tätigkeit, die ihre Gedanken beschäftigt würde sie weit mehr befriedigen.«
»Kinder erziehen, beispielsweise«, brummte er mit einiger Resignation.
»Natürlich. Aber – diese arme Frau hat etwas berührt, was tiefer in ihr steckt, Herr Waldegg. Ihr Mitleid mit der hilflosen Mutter. Nutzen Sie es. Es gibt viele solcher elenden Geschöpfe in unserer Stadt, seit die Männer in den Krieg ziehen. Ihr Herren kümmert euch um die Veteranen und Invaliden. Die Damen sollten sich um die weiblichen Opfer des Krieges kümmern. Die Nonnen haben ein kleines Hospiz für solche Fälle gehabt. Sie nahmen die Frauen dort auf, pflegten sie und vermittelten ihnen, wenn möglich, eine Beschäftigung. Das gibt es nun nicht mehr.«
Sehr nachdenklich betrachtete der Domherr seine Haushälterin. Dann nickte er.
»Sie sind eine sehr kluge Person, Jakoba. Ich werde mit Elena darüber sprechen.« Was er dann auch tat. Es zeigte eine
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