Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Zwar kamen ihr, als er um die Mittagszeit eintraf, schon milde Zweifel an ihrem Vorhaben, denn seine Miene spiegelte einen kaum unterdrückten Zorn wider. So war er anfangs beinahe brutal zu ihr gekommen, doch sie kannte seine Wünsche und begegnete ihm entsprechend. Nun wirkte er entspannt und gelassen. Es war an der Zeit, auf das gesetzte Ziel zuzusteuern und die Angel auszuwerfen.
»Frédéric, wovon träumst du?«
Kay Friedrich Kormann saß, nur mit der Hose bekleidet, am offenen Fenster und rauchte eine dünne Zigarre.
»Ich träume nicht.«
»Ich schon.« Sie gab einen wollüstigen Seufzer von sich, der ihm andeuten sollte, wovon ihre Träume handelten, und gleichzeitig streichelte sie versonnen ihren Busen. Er war ein ansehnlicher Mann, nicht nur auf modisch gepflegte Kleidung bedacht, sondern auch auf seinen Körper. Schlank, muskulös und beinahe unbehaart saß er im Sonnenlicht, das seine helle Haut schimmern ließ.
»Ich wünschte, solche Tage wie heute gäbe es häufiger. Elisa wird beständig anstrengender. Diesmal musste ich Mutter Ottilia die Lungenseuche andichten, um fortzukommen. Natürlich habe ich vorhin die alten Frauen besucht.« Charlotte schüttelte sich. »Grässlich, diese muffigen, schimmeligen Zimmer und das senile Geschwätz. Aber die halbe Stunde ist weniger enervierend als das Zusammensein mit Elisa. Von der Gesellschafterin, die ich angeblich spiele, ist nicht mehr viel übrig. Ich fange allmählich an, mich als ihre Sklavin zu fühlen.«
»Verlass sie!«
»Und dann, Frédéric?«
Er blies einen Rauchring. Darauf zu antworten unterließ er, seine Bemerkung war unbedacht. Charlotte konnte nirgendwo sonst hingehen.
Sie nippte noch einmal an ihrem Glas und wechselte das Thema. »Karl Ludwig scheint gute Geschäfte zu machen. Seit die Häuser der Hospizienkommission auf dem Markt sind, kommen viele Anfragen wegen Renovierungen oder Abbrüchen. Willst du dir nicht ein eigenes Haus kaufen, Frédéric? Diese Wohnung passt nicht zu einem einflussreichen Mann wie dir! Du müsstest doch wissen, welche Objekte sich lohnen.«
Kormann lachte trocken auf. »Die Häuser, die dort angeboten werden, sind überwiegend in einem ›widrigen Zustand‹, wie der Stadtbaumeister Schmitz es beschönigend beschreibt. Sie werden von den Armen bewohnt, die seit Jahren mit der Miete im Rückstand sind und weiß Gott kein Geld für die Instandhaltung aufbringen können. Solche Häuser kauft man allenfalls der Grundstücke wegen.«
Aber dennoch hatte er über den Erwerb eines eigenen Hauses nachgedacht. Er war ledig, noch keine vierzig, hatte ein hohes Amt im Magistrat, und seine Ersparnisse wuchsen stetig. Er wohnte aber zur Miete in einem alten Patrizierhaus, das ihm zwar eine angemessene Adresse, nicht aber das Führen eines gesellschaftlichen Lebens gewährte. Doch dazu schien es ihm inzwischen an der Zeit zu sein.
Charlotte hatte ihn aufmerksam beobachtet. Der Köder, den sie ausgeworfen hatte, war aufgeschnappt worden. Vorsichtig begann sie, die Leine zu straffen, langsam, damit der Fisch den verborgenen Haken nicht spürte.
»Der alte Hirzen hat auch um einen Kostenvoranschlag für eine Renovierung seines Hauses am Neuen Markt nachgefragt. Karl Ludwig erzählte es gestern beim Mittagessen. Erstaunlich, nicht wahr?«
»Was soll daran erstaunlich sein? Wenn ein reicher Tuchhändler einen Bauunternehmer beauftragt, sein Haus zu renovieren, sehe ich darin nichts, was einen verwundern sollte. Belangloser Klatsch so etwas.« Der verächtliche Tonfall beleidigte Charlotte nicht. Sie zog das Laken höher und ordnete mit flinker Hand ihre langen, rotgoldenen Haare.
»Die Betonung, lieber Frédéric, liegt auf reich. Er hat Elisa einige Längen feinen, indischen Musselin mitgebracht.«
»Wenn er es sich leisten kann. Was willst du damit andeuten, Charlotte? Bist du auf kleine Geschenke aus?«
Sie lachte gurrend und schenkte ihm einen schmachtenden Blick. »Dagegen würde ich mich nicht wehren. Aber eigentlich dachte ich, ein so pflichteifriger Staatsdiener wie du könnte dabei zunächst auf andere Gedanken kommen, als einer schönen und willigen Geliebten Konterbande zum Geschenk zu machen. Aber es schmeichelt mir.«
»Dann fühle dich geschmeichelt.« Er blies einen weiteren Rauchring und sah ihm hinterher. Nach einer Weile fasste er das Resultat seiner Gedanken in eine schlichte Aussage. »Der Neue Markt ist eine ausgezeichnete Adresse.«
»Ja, und das Haus ist, obschon nicht auf dem modernsten
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