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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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schnell einen Überblick über die Lage zu machen. Man musste Veränderungen frühzeitig erspüren, um überleben zu können. Mochte das neue Heim auch ein bequemes sein – ob ihres Bleibens darin war sie sich nicht sicher.
    In der Zwischenzeit aber vertraute Jakoba ihr immer neue Tätigkeiten an. Auf diese Weise vermittelte sie ihr mehr und mehr Kenntnisse über das Leben in den Kreisen, die bislang völlig unbekanntes Terrain für sie waren. Beim Putzen des Tafelsilbers erklärte die Köchin ihr die Funktion der einzelnen Besteckteile, beim Polieren der zarten Kristallgläser die Bedeutung der zum Essen gereichten Getränke, beim Abwasch des goldgeränderten Porzellans erfuhr sie mehr über das Servieren und beim Tischdecken etwas über die Menüfolge. Johann und Linda, mit denen sie zusammen die Mahlzeiten in der Küche einnahm, verhielten sich ungewöhnlich distanziert ihr gegenüber, sprachen sie höflich mit »Fräulein Antonia« an, waren aber zu vertraulichen Schwatzereien nicht bereit. Immerhin lernte sie von den beiden durch intensives Beobachten einiges über gepflegte Tischsitten.
    Nach zwei Wochen bat Jakoba sie eines Nachmittags, den Getränkewagen in der Bibliothek zu überprüfen. Antonia stieg also in die Gesellschaftsräume empor, die sie nur selten betreten hatte und wenn, dann nur, um Jakoba oder Johann bei irgendeiner Verrichtung zu helfen. In der Bibliothek war außer ihr kein Mensch, und sie sah sich zum ersten Mal gründlich darin um. Ein sehnsüchtiger Seufzer stahl sich über ihre Lippen, als sie die Menge der Bücher betrachtete, die in den raumhohen Regalen aufgereiht standen. Ihre eigenen Bücher befanden sich noch in Darmstadt, bisher hatte sie sich nicht getraut, die damaligen Nachbarn zu bitten, den Transport nach Köln zu veranlassen. Auch Zeitungen und Gazetten lagen auf einem niedrigen Tisch neben einem ledergepolsterten Sessel. Die Neugier siegte. Antonia nahm eines der aktuellen Blätter und stellte sich damit an das mit grünen Samtportieren umgebene Fenster, um im hellen Tageslicht die neuesten Meldungen zu lesen.
    Den Artikel über die Parlamente Großbritanniens und Amerikas, die die Gesetze gegen den Sklavenhandel verabschiedet hatten, überflog sie nur. Mit viel mehr Interesse verfolgte sie den Bericht über die Vorkommnisse bei Preußisch-Eylau, wo Napoleon gegen die russische Armee eine verlustreiche Schlacht geschlagen hatte, bei der auf französischer Seite neunzehntausend Mann gefallen waren. Weit genauer verfolgte sie den Text, der sich mit der Belagerung verschiedener preußischer Städte befasste. Danzig verteidigte sich schon seit dem Februar, Schweidnitz und Breslau hatten bereits kapituliert, Kolberg wurde noch blockiert und fünf weitere Festungen trotzten der Belagerung.
    »Ist es die Uraufführung von Beethovens Werk im Wiener Palais des Fürsten Lokowitz, die deine Aufmerksamkeit fesselt, meine Liebe? Es soll ein Pianoforte-Konzert von einer ungeheuren Schwierigkeit sein, das der Meister selbst mit großer Brillanz vorführte.«
    Erschrocken faltete Antonia die Zeitung zusammen.
    »Nein, ich... ich wollte nur wissen, ob es weitere Schlachten gegeben hat.«
    »Verständlich. Obwohl Beethovens Leistung sicher zu würdigen ist – ich wende mich ebenfalls den Artikeln über die Kriegsereignisse als Erstes zu. Setz dich, Antonia, ich möchte mich mit dir unterhalten.«
    »Aber ich soll die Karaffen...«
    »Um die Karaffen wird wer auch immer sich kümmern. Nimm Platz, meine Liebe, dieser Sessel ist sehr bequem.«
    Zögernd ließ sie Antonia in dem angewiesenen Sitzmöbel nieder und faltete die Hände im Schoß.
    »Du bist nun vierzehn Tage bei uns. Magst du mir erzählen, wie es dir gefällt?«
    Antonia hob die Schultern und gab zu: »Es ist... angenehm.«
    »Angenehm.«
    »Ja. Die Arbeit ist leicht, und Jakoba ist eine nette Person.«
    »Das ist sie. Und eine verständnisvolle obendrein. Aber ich denke, allmählich ist es an der Zeit, dass du den dir zustehenden Platz einnimmst. Verstehe richtig, Antonia, du bist nicht hier, um als Dienstmädchen zu arbeiten. Wir – Jakoba und ich – hatten allerdings beschlossen, dir die Möglichkeit zu geben, dich langsam an die Gepflogenheiten des Hauses anzupassen, und dem Milieu, aus dem du stammst, ist die Küche sicher am ähnlichsten.«
    »Aber ich habe nichts dagegen, für Sie zu arbeiten.«
    »Aber ich, Antonia. Du bist die Tochter des Hauses, und daran wirst du dich als Nächstes gewöhnen müssen. Nichts dagegen,

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