Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
dass du gelegentlich die Küche besuchst, gut kochen zu können ist für eine Frau immer von Vorteil. Aber deine Aufgaben werden mehr gesellschaftlicher Art sein. Natürlich wirst du noch ein wenig mehr lernen müssen.«
»Ich will aber nicht bei Teekränzchen rumsitzen und Taschentücher säumen. Und mir dummes Geschwätz über Löckchen und Röckchen anhören.«
»Nicht? Woher hast du diese tiefe Einsicht in das Salonleben der Damenwelt?« Hermann Waldegg musterte ihre abweisende Miene mit ungespieltem Interesse.
»Hab mal mit diesen Wohltätigkeitsweibern zusammenglucken müssen. Die haben immer von Nächstenliebe gesäuselt und feine Pralinés gegessen, aber einen verlausten Uniformrock auswaschen, dafür waren sie sich zu fein.«
»Du hingegen nicht.«
»Nein. Wir wurden bezahlt, gering genug, um die Drecksarbeit zu machen, an denen sich die noblen Dämchen nicht die zarten Finger schmutzig machen wollten. Ich nehme an, Frau Waldegg gehört zu demselben Kaliber. Ich meine, ich hab gehört, sie ist auch in so einer Charité.«
»Sie hat einen Verein ins Leben gerufen, der sich um werdende Mütter kümmert, die in Armut leben.«
»Hat wohl ein schlechtes Gewissen, was?«
»Du bist ziemlich direkt, Antonia.«
Wieder hob sie nur die Schultern. Waldegg stand auf und ging einige Schritte im Raum auf und ab. Antonia sah ihm nach und verspürte so etwas wie Reue.
»Entschuldigen Sie, Herr Waldegg. Sie sind sehr nett zu mir. Ich wollte Sie nicht beleidigen.«
»Du hast mich nicht beleidigt, Antonia. Aber ich gestehe, ich bin etwas ratlos dir gegenüber. Ich fürchte, mit einem Kind wie dir habe ich keine rechte Erfahrung. Für dein Alter hast du eine erschreckende Menschenkenntnis. Die wird dich wohl das Leben gelehrt haben.«
»Tja, ich habe eben nie einen Schleier getragen.«
Verdutzt sah sie Waldegg an. »Gut gesagt, Kind!«
Ein kleines Zucken huschte über Antonias linken Mundwinkel.
»Wir werden das berücksichtigen, wenn wir darüber nachdenken, wie sich dein weiteres Leben entwickeln soll, nicht wahr? Es wird sich als unschätzbarer Vorteil erweisen, sofern du dich dazu überwinden könntest, ein klein wenig gesellschaftlichen Lack über dein Benehmen zu tünchen.«
»Lack, Herr Waldegg, ist spröde und blättert ab, sowie sich das Holz darunter bewegt. Ich fürchte, man würde schnell das garstige und ungehobelte Wesen erkennen.«
»Dann sollten wir auf den Lack verzichten und schauen, ob nicht durch vorsichtiges Hobeln und Polieren die edle Maserung hervortritt. Dein Witz will mir gefallen, Antonia.«
»Er ist nicht immer von der feinen Sorte.«
»Was dann und wann erfrischend ist. Kind, verrate mir, was hättest du gemacht, wenn ihr unbeschadet aus dem Feld zurückgekehrt wäret?«
Der eben noch ein klein wenig verschmitzte Ausdruck in Antonias Gesicht verschwand schlagartig und machte einer tiefen Trauer Platz.
»Verzeih, ich habe an deinem Schmerz gerührt.«
»Ja. Aber es nützt nichts. Er verschwindet eben nicht, und ich muss dennoch weiterleben. Wir hatten in Darmstadt ein Häuschen. Mutter hat einen Laden geführt, Marktwaren und Spezereien. Ich habe bei einem Antiquar gearbeitet. Eigentlich wäre ich lieber bei einem Buchhändler in die Lehre gegangen, aber die wollten keine Mädchen.«
»Buchhändler? Liest du gerne?« Das Aufleuchten in Antonias Augen war Antwort genug. Hermann Waldegg lachte entzückt auf. »Du schaffst es beständig, mir neue Überraschungen zu bereiten. Ich dachte, dein Leben sei zu beschwerlich gewesen, um die Liebe zu Büchern zu wecken.«
»Och, nein. Ich hab’s früh gelernt. Mama hat mir das Lesen aus ihrem Brevier beigebracht. Und wenn wir etwas Geld übrig hatten, durfte ich mir immer mal ein Buch kaufen. Sogar französische, obwohl mir das anfangs ziemlich schwergefallen ist. Sprechen kann ich es besser. Wissen Sie, und dann habe ich so einen alten, blinden Pater kennengelernt. Dem habe ich vorgelesen. Er hat mir seine Bücher vermacht.« Wieder huschte die Traurigkeit über ihr Gesicht. »Die Kiste ist noch in Darmstadt.«
»Ich werde dafür sorgen, dass dein Besitz hertransportiert wird, Antonia. Gib mir die Adresse.«
»Ich kann selbst...«
»Nichts da. Also, der französischen Sprache bist du auch mächtig?«
»Natürlich.«
»Ja, natürlich. Wie dumm von mir, das nicht geahnt zu haben. Fassen wir also einmal kurz deine erstaunlichen Fähigkeiten zusammen. Du bist, wie Jakoba mir mitteilte, eine ausgefuchste Feilscherin auf dem Markt, kannst
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