Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
nötigenfalls eine Kompanie Soldaten verköstigen, verlauste Uniformjacken waschen, liest Bücher in zwei Sprachen und besitzt eine auffallend schnelle Beobachtungsgabe. Füge hinzu, was ich vergessen habe.«
»Nun, ich kann ein Gewehr schneller laden als viele Soldaten, einen Gefallenen schneller fleddern als manche Marketenderin, bin ziemlich zielsicher mit Pistole und Schleuder, kann Kugeln entfernen und Wunden nähen und seit Anfang des Jahres auch Zigarren rollen. Ich fürchte nur, das alles sind Eigenschaften, die mir als Tochter Ihres Hauses nicht viel nützen werden.«
»Weiß man’s? Du glaubst nicht, auf welch gefährlichem Schlachtfeld man sich gelegentlich in der guten Gesellschaft bewegt. Treffsicherheit, schnelles Aufmunitionieren und das Versorgen von Verletzungen bewährt sich da genauso. Was das Leichenfleddern anbelangt – nun, da wirst du Spezialisten auf dem vornehmen Parkett finden, von denen selbst du noch etwas lernen kannst. Und die Kunst, jemandem eine Zigarre zu verpassen, bewährt sich in diesen Kreisen allemal. Kurz und gut, wir müssen deine Kenntnisse nur etwas transformieren, dann bist du für das Gesellschaftsleben wohl gerüstet.«
»Glauben Sie wirklich?«
»Ich bin mir inzwischen ganz sicher, Antonia. Du hast ein großes Potenzial, das sich nur richtig entfalten muss. Betrachte also von nun an deine Arbeit in der Küche als beendet. Jetzt werden wir uns bemühen, die rauen Kanten abzuschleifen, und am besten fangen wir damit an, gemeinsam eine kleine Auswahllektüre für dich zusammenzustellen.«
»Darf ich auch die Zeitungen lesen?«
»Aber selbstverständlich.«
Es erfüllte sie beide mit größter Genugtuung, einen Stapel Bücher auszusuchen, die Antonia studieren sollte. Dann untersuchten sie die Zeitschriften, und nur einmal zog sie unwillig die Augenbrauen zusammen, als nämlich Waldegg ihr Elenas »Gazette des Luxus und der Moden« dazulegte.
»So ein Firlefanz interessiert mich nicht.«
»Nimm es als Abrundung mit dazu. Du kannst nicht immer nur Konversation über die Bewegung der Himmelskörper, die Feinheiten der menschlichen Anatomie und den Bau von Segelschiffen betreiben.«
»Na gut.«
»Du kannst diese Bücher mit in dein Zimmer nehmen oder hier lesen, Antonia. Aber bitte lass sie nicht im Salon oder im Speisezimmer liegen. Elena sieht es nicht gerne, wenn irgendwo Unordnung herrscht.«
»Ist recht.« In diesem Augenblick besann sich Antonia zum ersten Mal auf ihre neue gesellschaftliche Stellung und fragte höflich: »Wie geht es Ihrer Frau eigentlich? Ich hörte, sie verlässt ihr Zimmer derzeit nicht.«
»Elena geht es inzwischen wieder besser. Sie hat von jeher schwache Nerven, und dein Eintreffen hat eine tiefe Erschütterung ausgelöst. Du hast es vorhin ganz richtig erkannt, sie trägt seit deiner Geburt an einem schlechten Gewissen. Sie hat mir erst vor drei Monaten gestanden, dass sie eine Tochter hat. An deinem sechzehnten Geburtstag. Antonia, sie wird länger brauchen als du, um sich mit alldem abzufinden. Gib ihr eine Chance.«
»Ich kann sie nicht lieben, Herr Waldegg. Wenn sie ein schlechtes Gewissen hat, so habe ich einen Groll gegen sie. Aber ich will versuchen, höflich zu ihr zu sein.«
»Nicht mehr erwarte ich von dir.«
»Na, dann holen Sie mal den Hobel raus! Den fürs Grobe.«
Waldegg lachte. »Wir nennen es das Arbeiten am rauen Stein, und es ist eine äußerst ehrenwerte Aufgabe.«
Fisch an der Angel
Ein Fischer mit der Rute
Wohl an dem Ufer stand
Uns sah’s mit kaltem Blute,
wie sich das Fischlein wand.
Die Forelle, Schubart
»Frédéric?« Charlotte räkelte sich auf dem breiten Bett, das seidene Laken war ihr über die Hüften geglitten und entblößte ein weißhäutiges, glattes Bein, an dessen Knien sich kleine Grübchen bildeten. Die Frühlingssonne fiel durch das junge Laub der Birke vor dem Fenster und veranstaltete ein köstliches Licht-und-Schatten-Spiel auf ihrem wohlgeformten, molligen Körper. In dem Glas in ihrer Hand perlte kühler Champagner, und ein Tröpfchen davon rann langsam zwischen ihren vollen Brüsten herab, als sie sich aufrichtete, um an dem Glas zu nippen. Es war ein gut gewählter Zeitpunkt. Ein vollkommener Nachmittag, dem Müßiggang und der Lust gewidmet. Es hatte sie etwas Mühe gekostet, es so einzurichten, und bisher lief alles, wie sie es geplant hatte. Ihr Geliebter hatte sich Zeit genommen, und sie hatte ihn mit aller ihr zur Verfügung stehenden Raffinesse befriedigt.
Weitere Kostenlose Bücher