Kreuzdame - Köln Krimi
erreichte ich nur den Anrufbeantworter, unter der Handynummer meldete sich eine Stimme, die mir mitteilte, diese Rufnummer sei ihr nicht bekannt, und so sprach ich auf den AB , ich würde es vermutlich nicht schaffen bis zu unserer Verabredung und ob wir den Termin auf den nächsten Tag verschieben könnten.
Sie brachten Martins Mutter in jenes Krankenhaus, in dem ihr Sohn zum Chef geworden war. Im Nachhinein wäre ich wohl doch noch rechtzeitig daheim gewesen.
Anna meldete sich erst drei Tage später frühmorgens und wollte um halb zwei da sein. Obwohl der Termin zu früh war, weil die Möglichkeit bestand, dass Martin noch bei seinem Kaffee saß, und ich die Situation einer Begegnung zwischen ihm und Anna nicht einschätzen konnte, sagte ich doch zu, rief allerdings sicherheitshalber meinen Mann an, fragte zuerst, wie es seiner Mutter ging, und bat ihn dann, an diesem Mittag nicht zum Essen zu kommen, weil ich mit einer Freundin verabredet wäre, was im weiteren Sinne der Wahrheit entsprach.
»Macht nichts«, sagte er freundlich, »ich esse dann auf der Station.«
Anna war pünktlich. Sie wirkte ein bisschen nervös, aber Rotwein, meinte sie, würde ihr guttun. Die angebrochene Flasche ließ ich im Keller stehen, holte eine neue herauf, entkorkte sie und goss ein.
Sie stürzte das erste Glas die Kehle hinunter wie eine Verdurstende, schlug die Beine übereinander und setzte sich sehr gerade. Der Blick, mit dem sie mich ansah, drückte aus, was sie dachte: Mach dich auf was gefasst.
Ich wappnete mich.
»Ja«, sagte sie dann langsam, »so hätte es weitergehen können, so hätten wir weiterleben können, bis an unser Lebensende …«
»Willst du mir jetzt ein Märchen erzählen?«, fragte ich, und sie antwortete: »Vielleicht«, und fuhr dann mit ihrer Geschichte fort.
»Ich sah meine Mutter, wie sie sich cremte und puderte, wie sie es mit Hanteln versuchte und mit Yoga, wie sie die Lampen dimmte, damit sie jünger aussah und noch geliebt wurde auf den Plüschkissen unter dem roten Licht. Und wenn einer ihrer Stammkunden sich nicht mehr meldete, dann weinte sie. Sie wusste, ein Talent wie ihres, diese Begabung, sich selbst anzubieten und damit Erfolg zu haben, verbraucht sich schnell. Schönheit und Jugend vergehen, und wenn du dann nichts anderes gelernt hast als Begehren zu erwecken, empfindest du die schlaffen Pobacken und die hängenden Brüste als Zumutung. Eines Morgens hat sie sich umgebracht.«
»Was?«, rief ich entsetzt. »Ich dachte immer, sie ist an Herzversagen gestorben, nach der jahrelangen Schufterei. Das hast du uns gesagt, damals, kurz nach dem Abi.«
»Ach ja, was sagt man nicht alles im Leben. Sie hat eine Überdosis Valium genommen und dazu Alkohol getrunken und ist sanft hinübergerutscht in den Himmel, hoffe ich, trotz ihres unheiligen Berufes. Vielleicht erinnerst du dich noch, ich war ein bisschen rundlich geworden, rubenssche Formen nannte Klaus das, und er liebte es. Aber ich wollte sie nicht, diese Röllchen, die mir die Figur versauten und mir ein Doppelkinn androhten. Ich wusste, dass Klaus auch schon bei Karin und Charlotte geschnippelt hatte, und da dachte ich, wozu habe ich einen Mann, der die Schönheit erhalten kann, und fragte ihn. ›Du‹, hat er geantwortet, ›du bist schön genug.‹ Aber dann, nach ein paar Tagen, kam er noch einmal auf das Thema zurück. Er habe sich kürzlich mit einem Epithetiker unterhalten, einem, der Gesichter wiederherstellen kann, ein interessantes Gebiet, und da wäre ihm eine Idee gekommen, eine grandiose Idee, und wenn ich einverstanden wäre, würde er mich nicht nur zur Schönsten im Land machen, sondern es gäbe auch eine Riesengaudi. Da schrieb ich den Abschiedsbrief und verschwand.«
»Wie bitte?«, rief ich. »Was soll denn das heißen? Ich denke, er wollte dich verschönern, warum bist du denn dann abgehauen? Das verstehe ich nicht.«
»Das sagte ich doch schon«, meinte Anna. »Für manches bist du einfach nicht geschaffen, das ist nicht dein Ding, und ich weiß nicht, ob du die weitere Geschichte überhaupt hören willst. Spannend ist sie, aber sie wird dich vielleicht überfordern. Es ist deine Entscheidung. Aber für heute reicht es mir. Ich kann nicht mehr.«
Ich schwieg, und Anna erhob sich.
»Ich gehe zum Weihnachtsmarkt, kommst du mit?«
Ich nickte und sagte gleichzeitig: »Nein.«
»Wie denn nun?«, fragte Anna.
»Ich kann nicht, ich muss einkaufen und Abendessen kochen. Ein anderes Mal komme ich mit,
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