Kreuzdame - Köln Krimi
liebäugelte, ihm die Wahrheit zu sagen, ihm zu beichten, dass Timo Martins Sohn war. Aber wenn ich in seinen Armen lag, kam es mir so unwichtig vor. Ein Kind ist doch kein Eigentum, dachte ich, es gehört sich selbst, und wir als Eltern können es lieben und ihm eine Basis schaffen, von der aus es ihm gelingt, ein ordentliches Leben zu führen. Wen interessierte schon, wer Timos Vater war, wenn Klaus reich war und angesehen? Ich wollte meinen Sohn nicht am glücklichen Leben hindern.
Aber dann kam der Tag, als Timo zur Schule ging und ich wieder Zeit hatte, viel Zeit, und einen Mann, der nicht da war. Manchmal ging ich in die City, durch die Pfeilstraße, die Benesisstraße, die Mittelstraße entlang, an den Schaufenstern vorbei, ins Café oder ins Kino. Ich zog mich gut an, schminkte mich und erntete bewundernde Blicke, die ich so brauchte. Und eines Tages traf ich Daniel, erinnerst du dich an ihn? Er war Referendar bei uns an der Schule, als wir in der Oberprima waren.«
»Nein«, sagte ich, »keine Ahnung. Das ist doch schon so lange her.«
»Also, dieser Daniel hatte mich schon damals in der Schule immer länger angesehen als nötig, und ich hatte es auch darauf angelegt und mich amüsiert, wie er anbiss. Aber natürlich hätte er seinen Job an den Nagel hängen können, wenn er was mit mir angefangen hätte. Und ausgerechnet der läuft mir eines Tages auf dem Neumarkt, kurz vor der Apostelkirche, über den Weg, sieht mich an, stutzt und fragt: ›Entschuldigung, kennen wir uns nicht? Waren Sie nicht auf der Ursulinenschule, damals, als ich dort mal ein paar Wochen …‹ Ich lachte, er reichte mir die Hand und sagte: ›Ich freue mich! Wie geht es Ihnen? Sie sehen phantastisch aus. Hätten Sie Lust, einen Kaffee mit mir zu trinken?‹ Es blieb nicht bei einem Kaffee, wir gingen abends zusammen essen und nach einer Woche zum ersten Mal miteinander ins Bett. Von da an war meine Einsamkeit besser zu ertragen, und was die Zweisamkeit mit Klaus anging, das machte mir keine Probleme, da machte sich wohl das Erbe meiner Mutter bemerkbar.
Siehst du, und das ist etwas, von dem ich nicht weiß, ob du es verstehst. Ich habe Klaus nicht mit Daniel betrogen, ich brauchte Daniel, um Klaus treu zu bleiben. Das hört sich komisch an, ich weiß, aber es war so. Es ging zwei Jahre gut. Klaus hatte viel zu tun, war morgens der Erste in der Klinik und abends der Letzte, und wenn er heimkam, lag das Kind im Bett, und ich rekelte mich auf der Couch. Für mich war es eine herrliche Zeit. Ich hatte genug Geld, für Timos Betreuung hatte ich eine Kinderfrau eingestellt, wovon Klaus nichts wusste, und ich vergnügte mich bei Modenschauen und mit Daniel. Es war nicht falsch, für mich jedenfalls lief alles ganz wunderbar, und vielleicht habe ich mich auch deshalb so sicher gefühlt, bin mit Daniel am Rhein entlangspaziert, eng umschlungen. Aber dann hat jemand gehupt, geguckt und gewinkt und mich bei Klaus verpfiffen.«
Hier unterbrach sie sich, griff nach ihrem Glas, trank einen kleinen Schluck und sah mich lange an.
»Und wer war dieser jemand?«, fragte ich leise und ahnte schon, was sie mir antworten würde.
»Martin«, sagte Anna, »dein Mann Martin, der Vater meines Kindes. Ich habe ihn im Auto vorbeifahren sehen und bin furchtbar erschrocken. Ich stellte mir vor, wie Martin bei Klaus anrief, und ich wusste, was er damit anrichten würde. Ich beschloss, ihm zuvorzukommen, hoffte, ich würde es schaffen. Ich hatte schon eine Strategie im Kopf: ›Stell dir vor, Klaus, heute habe ich einen alten Lehrer getroffen, am Rhein, als ich dort spazieren gegangen bin. Er hat mich spontan in den Arm genommen und sich sehr gefreut zu hören, dass es mir so gut geht …‹«
Sie trank und verschluckte sich. Als sich ihr Husten beruhigt hatte, sprach sie weiter. »Ich kam zu spät. Klaus war schon zu Hause und sehr zornig. Was ich mir dächte, während er das Geld für die Familie herbeischaffte, vergnügte ich mich mit anderen Männern und überließe Timo einem Kindermädchen. Ob ich glaubte, er würde so etwas einfach so hinnehmen, und überhaupt, ich hätte wohl gar kein Gefühl dafür, wie man ein ehrenwertes Leben führte. Schämen sollte ich mich, und die Erziehung seines Kindes werde er jetzt selbst in die Hand nehmen, darauf könnte ich mich verlassen. In diesem Augenblick hätte ich ihn gern mit der Wahrheit konfrontiert, hatte Lust, ihm entgegenzuschleudern: ›Dein Kind, dass ich nicht lache! Timo ist nicht von dir, das
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